Der Totschreiber

  • Droemer
  • Erschienen: Januar 2018
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  • London: Orion, 2017, Titel: 'You can run', Seiten: 337, Originalsprache
  • München: Droemer, 2018, Seiten: 432, Übersetzt: Ulrike Clewing
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Vermutlich ruft jedes Verbrechen, jede Untat, jedes krankhafte Verhalten sie hervor: Die einen, die sich fürchten, ekeln oder abgestoßen fühlen und ... nun ja, die anderen. Die aus morbidem Interesse glotzen oder vielleicht auch so weit gehen, dass sie sogar Teil haben wollen. Kommt es dann so weit, dass Grenzen massiv überschritten werden und jeder Strafverteidiger interessiert aufhorcht, ist es dann sogar manchmal fraglich, wer das größere Verbrechen begeht: Der, der einsperrt, quält und tötet - oder der, der sich an diesem Verhalten ergötzt oder es möglicherweise für seine Zwecke ausnutzt.

Vielschichtige Handlung mit mehreren Bösewichtern

Mosby beschreibt in seinem Roman "Der Totmacher" eine solche Konstellation. Die Bühne gehört in diesem Fall nicht in allererster Linie dem Serienkiller. Er ist der Vorbereiter der Szene und damit das Raubtier in der Manege. Aber wie auch in den seinerzeit üblichen Vorstellungen, war nicht das Raubtier der eigentliche Held in der Episode, sondern der Dompteur, der sich die Bestie unterwarf. Wenn hier also auch ein Serienkiller als eigentlicher Urheber und als unberechenbare Bestie dargestellt wird, ist er nicht der Titelgeber der Geschichte.

Die Hauptrolle kommt einem weiteren Täter zu, der sich nicht nur als stummer Beobachter an den Taten aufgeilt, sondern vielmehr seine persönlichen Ziele verfolgt. Damit erschafft Mosby eine Vielschichtigkeit, die das Buch über die gewohnten Berichte über Serienkiller hinaushebt.

Vorteilhaft ist dabei, dass zusätzliche spannende Verstrickungen eingebaut werden, so ist nicht nur ein Täter, sondern abschnittsweise ein Gespann zu suchen, das einzeln agiert, sich lose zusammenfügt oder gemeinsam zuschlägt. Diese Konstellation birgt aber auf der anderen Seite auch gewisse Nachteile.

Durch diese verschiedenen Schichten ist es schon fast anstrengend, den komplexen Strängen zu folgen. Es ist nie nur die eine Person, die eine Tat oder die eine Spur, die hier von Bedeutung sind, sondern verschiedene Handlungen zeitigen Auswirkungen in unterschiedlichen Bereichen. Nicht vergessen werden sollte auch, dass durch diese Konstruktion andere Bereiche auf der Strecke bleiben. So wird der eigentliche Killer als regelrechtes Raubtier charakterisiert - unklar bleibt aber, wodurch er zu dieser Entwicklung gedrängt wurde und welche Motivation, welche Gedanken seine Taten beherrschen. Er geht neben dem namengebenden "Totschreiber" fast unter und ist doch der, dessen Gewalt die Ausgangslage erschuf.

Das kleine, traurige "Hätte ich doch..."

Ein besonderes Element, das diesen Krimi beherrscht, ist nicht nur die Suche nach dem Täter sondern die Frage nach der Bedeutung von Schuld. Besonders betroffen ist hier der ermittelnde Beamte Detective Inspector Will Turner, der seine persönliche Einbindung an die Mordserie zu verschleiern und durch seine intensiv vorangetriebene Arbeit - und damit verbundenen heftigen Reaktionen - eine persönliche Last zu tilgen sucht.

Hier weist das Buch mit seinen Rückblicken und seiner Frage nach dem richtigen Weg - der wie immer möglich war, aber nicht beschritten wurde - eine anschaulich dargestellte Traurigkeit auf. Diese Momente sind in ihrer Schlichtheit anrührend eingefangen. Es sind nicht die großen Momente, die großen Chancen die verpasst wurden, sondern die kleinen unterlassenen Gesten, die kleinen Beweise von Menschlichkeit, die wir lange bedauern.

Bei allem Lob über Mosbys spannenden Roman dürfen aber auch einige Kritikpunkte nicht vergessen werden. So erscheint die Machbarkeit der Verbrechen, die sich von den eigentlichen Morden absetzen, als eine sehr schwierige. So penibel ein Täter auch seine Spuren zu zerstreuen mag, so sorgfältig er möglicherweise an einem Tatort arbeitet - dennoch kann es meiner Einschätzung nach in der heutigen Zeit kaum möglich sein, derartig falsche Spuren zu legen, die jeglicher Tatortuntersuchung standhalten.

Auf der anderen Seite wird die intuitive Arbeit der Polizei durch Ergebnisse belohnt, die auch einmal mehr "Kommissar Zufall" zuzuschreiben wären. Fraglich ist auch, ob Opfer jahrelang durch Drohungen zu bestimmten Taten und zum Schweigen gezwungen werden können. Dennoch ist es ein besonderer Zug, dass der eigentliche "Totschreiber" einerseits schon zum "Superverbrecher" aufgebaut wird, aber unmittelbar vor dem Erreichen seines Ziels und vor einem Füllhorn von unverdientem Ruhm und Ehre beginnt, über seinen eigenen Hochmut zu stolpern. Hier lehnt sich der Leser genießerisch zurück und freut sich.

Ein schönes Element, das der Autor abschließend in seinen Krimi einbaut, ist das Herauswachsen über die Arbeit des "Totschreibers". So wird in schlichten Worten eine kurze Zusammenfassung der wichtigen Stationen der jeweiligen Mordopfer gegeben und damit ihr Leben über die bloße Bedeutung von einem Kapitel in einem Werk der Literatur erhoben. Mosby schafft damit den letzten Triumph über den psychopathischen Geiferer nach Ehre und die ersehnte Katharsis für den getriebenen Will Turner.

Der Totschreiber

Steve Mosby, Droemer

Der Totschreiber

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