Massaker in Maine

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 1979
  • 1
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1979, Seiten: 204, Übersetzt: Hubert Deymann
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2002, Seiten: 317
Massaker in Maine
Massaker in Maine
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Peter Kümmel
66°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Nur nicht vom Titel abschrecken lassen

Das Negativste am Buch ist der Titel: Massaker in Maine dürfte wohl viele Leser vom Kauf abhalten, da sie mit ihm ein Blutbad assoziieren, und diejenigen Leser, die auf bestialisches Abschlachten stehen, dürften enttäuscht werden, denn von einem "Massaker" ist weit und breit nichts zu sehen. Diesmal jedoch ist dies nicht den deutschen Verlagen zuzuschreiben, denn bereits das englische Original trug den Titel "The Maine Massacre". Dagegen ist der holländische Titel "Het Werkbezoek" - obwohl ich nicht der holländischen Sprache mächtig bin - augenscheinlich treffender.

Ein Anruf im Kommissariat der Amsterdamer Mordkommission unterbricht das Gespräch der drei Männer, das mit allem außer dienstlichen Angelegenheiten zu tun hatte. Suzanne, die Schwester des Commissaris, meldet sich aus Amerika, um ihrem Bruder unter Tränen den Tod ihres Mannes mitzuteilen, der beim Baumfällen auf eisigem Untergrund ausgerutscht und in eine Schlucht gestürzt ist. Jetzt möchte sie gerne wieder nach Holland ziehen und bittet ihren Bruder, ins winterliche Maine zu kommen, um ihr beim Papierkram und dem Verkauf ihres Hauses behilflich zu sein. Mit der Gesundheit des Commissaris ist es nun aber nicht zum Besten bestellt, was er seiner Schwester aber verschweigt und ihr natürlich seine sofortige Unterstützung zusagt. Brigadier De Gier bietet sofort seine Hilfe an. Er will Urlaub nehmen und auf eigene Kosten den Commissaris begleiten, denn die winterliche Kälte in Maine dürfte alles andere als gut für dessen Rheuma sein. Dies ist dem Commissaris jedoch absolut nicht recht, denn er braucht nun wirklich kein Kindermädchen, das auf ihn aufpasst. So nimmt Adjudant Grijpstra, der dritte der Männer in dem Raum, die Sache in die Hände. Bis zum Hoofdcommissaris persönlich begibt er sich, um eine Lösung zu finden. Und so fliegt De Gier unabhängig vom Commissaris und ohne dessen Wissen aufgrund eines Austauschprogramms mit den amerikanischen Behörden nach Jameson in Maine, um den dortigen Sheriff zu unterstützen.

Nach der Begegnung der beiden holländischen Polizisten in Maine hat der Commissaris seinem Untergebenen dessen eigenmächtiges Handeln schnell verziehen, denn beide wittern bereits wieder ein Verbrechen. Außer Pete Opdijk, dem Schwager des Commissaris starben in den letzten Jahren bereits vier weitere von dessen unmittelbaren Nachbarn und ein fünfter verschwand von selber. Einer wurde bei einem Jagdunfall erschossen, eine Frau wurde nach einer Segeltour als Leiche wieder an Land gespült, der dritte erfror im Wald und der vierte starb an einer Alkoholvergiftung, nachdem er bereits einige Jahre trocken war - soviel zum "Massaker". Eine solche Anhäufung von Zufällen macht nicht nur die beiden holländischen Polizisten, sondern auch den Sheriff, der erst seit kurzem im Amt ist, stutzig. Dessen Vorgänger hatte sich nicht weiter mit den Vorfällen befasst.

Trotz der Verlagerung des Schauplatzes vom gewohnten kleinen Holland ins weitläufige Maine hat van de Wetering für die Handlung doch einen abgeschlossenen Mikrokosmos geschaffen. Die geringe Anzahl an Charakteren erinnert schon fast an klassische Krimis, die in abgeschlossenen Räumen spielen. Da bleiben als Tatverdächtige für ein Verbrechen, das wohl nur Kriminalkommissare im Urlaub sofort als solches erkennen, nur ein Immobilienmakler, ein Einsiedler auf einer kleinen Insel, die Schwester des Commissaris, eine alte Lady und ihr Arbeiter sowie eine selbsternannte "Bande", die gar nicht so gefährlich zu sein scheint, wie sie sich selber gibt.

Mit dem rheumageplagten am Stock gehenden kleinen Commissaris und als Gegenpol dazu dem Brigadier, der den Annehmlichkeiten des Lebens ebenso zugetan ist wie seiner Arbeit, hat van de Wetering ein sympathisches Ermittlerpaar erdacht, das aufgrund seiner Gegensätze gut zueinander passt und den Fall mit einer Kombination von Intuition, Logik und Action löst. Die Schlüsse, die die Ermittler ziehen, wirken dabei oft sehr weit hergeholt und sind nicht immer logisch nachvollziehbar.

Das Interessanteste am Krimi des Holländers sind die Charaktere, die allesamt etwas eigenartig und auf gewisse Weise verschroben sind. Dadurch ist ein gut zu lesender und humorvoller Roman entstanden, dem man zwar keine hohen literarischen Ansprüche zubilligen kann, der aber für kurzweilige Unterhaltung sorgt.

Sehr positiv ist es dem Verlag anzurechnen, dass er in der aktuellen Ausgabe nicht nur das Titelbild geändert hat, sondern auch von der mikroskopischen Schriftgröße auf eine gut lesbare umgestellt hat. Dies wird gut durch die Tatsache verdeutlicht, dass die Seitenzahl bei gleichem Inhalt von 204 auf 317 angewachsen ist. Leider hat man es aber versäumt, in diesem Zuge auch den unsäglichen Titel des Buches zu ändern.

Massaker in Maine

Janwillem van de Wetering, Rowohlt

Massaker in Maine

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