Küstennächte

  • CW Niemeyer
  • Erschienen: Januar 2015
  • 0
  • Hameln: CW Niemeyer, 2015, Seiten: 352, Originalsprache
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Carsten Jaehner
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2017

Ein Toter im Sielhafenmuseum

Die beiden Jungs Benny und Dirk halten es zu Hause nicht mehr aus und wollen abhauen doch zunächst verstecken sie sich eine Nacht im Groothus des Sielhafenmuseums von Carolinensiel. Ausgerechnet in dieser Nacht steigen zwei Räuber in das Museum ein und wollen eine wertvolle Bibel stehlen. In einem Handgemenge zwischen den vieren stürzt einer der Einbrecher die Treppe hinunter und stirbt dabei. Als am nächsten Morgen die Museumsmitarbeiter aufschliessen, wird der Tote entdeckt und die Polizei alarmiert.

Die Beamten unter Führung von Tomke Evers tappt zunächst im Dunkeln, wissen sie doch nichts von den beiden Jungen und dem zweiten Dieb. Zwar wird entdeckt, dass die Bibel verschwunden ist, doch ist diese auch nicht auffindbar. Tomke und ihr Kollege Hajo Mertens suchen zunächst die Familie des Toten auf und finden heraus, dass dort eigentlich niemand wirklich trauert, war er doch brutal zu seiner Familie. Vor allem der Stiefsohn scheint wie verwandelt, zwar nicht traurig, aber den Kopf voller anderer Dinge. Zudem hatte er seinen Freund über Nacht da, der zu Hause mit seiner trinkenden und schlagenden Mutter lebt.

Nur langsam erschliessen sich Tomke und Hajo die Zusammenhänge, und als eine Frau ins Krankenhaus eingeliefert wird, die verbotenes Rattengift zu sich genommen hat, spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu. Und zu alldem ist auch noch der Kollege Carsten aus Frankfurt angereist, der miterleben muss, wie seine Stieftochter entführt wird. Abgründe tun sich auf im beschaulichen Carolinensiel...

Krimi mit viel Lokalkolorit

Bereits zum dritten Mal schickt die Autorin Gaby Kaden, die tatsächlich im Ort ihrer Ermittlungen wohnt, ihr Ermittlertrio um die Kommissarin Tomke Evers in Ermittlungen in Carolinensiel. Urlauber, die dort schon einmal gewesen sind, aber auch Einheimische, werden viele der Orte wiedererkennen, zu denen die Ermittlungen führen, und dieses Lokalkolorit ist es dann auch, das den Küstenkrimi ausmacht. Die Autorin beschreibt ihre Heimat und man spürt sofort die Verbundenheit der Ostfriesen untereinander. Dazu kommt natürlich, dass einige Personen den einheimischen Dialekt sprechen. Die Namensgebung der Charaktere tut ihr übriges.

Zu Beginn der Romans verfolgt der Leser zunächst die beiden Jungen Benny und Dirk, die sich im Museum einschliessen lassen, um am nächsten Tag weiterzuziehen und erst zur See zu fahren und später mal Pilot werden zu wollen. Beide sind zu Hause nicht glücklich mit ihrer Familie, und sie sind fast wie Brüder, so gut und eng sind sie miteinander befreundet. Aus Angst vor er Alarmanlage wagen sie es lange nicht, sich aus ihrem Versteck wegzubewegen, als zwei Gauner einsteigen, die wohl die Alarmanlage ausser Kraft gesetzt haben und zielgerichtet eine wohl wertvolle Bibel aus dem Museum entwenden wollen. Ein Auftrag, wie man bald hört, doch einer der beiden möchte auch noch das eine oder andere Stück mitnehmen und zu Geld machen, wo man schon mal da ist. Es kommt zum Streit, und auch die beiden Jungs werden entdeckt, zumal die Natur inzwischen ruft, nachausgiebigem Cola-Konsum. Es kommt zum Handgemenge.

Dramaturgische Gratwanderung

Die Gefahr eines solchen Einstiegs in einen Kriminalroman ist immer, dass der Leser bereits die Lösung kennt und weiß, wer der Mörder ist, ehe der Kommissar überhaupt gerufen wurde. Doch so einfach macht es die Autorin dem Leser nicht. Nicht alles mag so offensichtlich sein, wie man vermutet, und nicht alles geht so glatt, wie die Protagonisten sich das gedacht haben. Wer also zu Beginn bereits meint, die Geschichte wäre gelaufen, der sollte trotzdem weiterlesen, man kann sich nie sicher sein.

Tomke Evers und ihr Kollege und mittlerweile Lebensgefährte Hajo Mertens übernehmen die Ermittlungen und müssen lange auf die Ergebnisse der Spurensicherung warten. Dazwischen verfolgt man die kleinen Frozzeleien zwischen den beiden und ihren Kollegen, gelegentlich kommt das Gefühl auf, dass mehr über die beiden erzählt wird, als dass es um den Fall geht. Wer war der zweite Mann bei dem Toten, denn man stellt schnell fest, dass er gestossen wurde und es kein Unfall war. Woher kommen andere Spuren im Museum, und vor allem: Wo ist die Bibel? Die Handlung nimmt den einen oder anderen überraschenden Verlauf, allerdings sind einige Wendungen auch vorhersehbar, was eben an der Anlage des Falls liegt, weil man als Leser den Kommissaren ja doch voraus ist. Und wer ein bisschen logisch mitdenken kann, dem wird sich einiges früher erschliessen. Dennoch bleiben einige Fragen bis zum Ende offen und nicht immer ist alles, wie man sich vielleicht dachte.

Entführung als kleine Nebenhandlung

In einer Nebenhandlung wird die Stieftochter von Carsten Schmied entführt. Schmied kommt extra aus Frankfurt angereist, wo er sich um einen früheren Fall kümmern muss, und er und seine Frau Michaela sind ausser sich vor Sorge. Doch auf einmal ist das Mädchen wieder da, wurde von zwei Männern aus einem Auto geworfen und sie kam wieder nach Hause, das alles ist sehr mysteriös und teilt das Ermittlerteam in mehrere Lager.

Insgesamt ist "Küstennächte" die konsequente Fortsetzung ihrer beiden Vorgänger. Die privaten Geschichten der Ermittler und deren Familien werden weitererzählt, und daher empfiehlt sich auch die Lektüre der beiden Vorgänger. Neben den Ermittlern, ihrem Chef Gerdes und der neuen Familie von Carsten Schmied bereichern wieder Tomkes Oma und Tante Fienchen das Geschehen, die für das alte Carolinensiel stehen und Traditionen und Moral aufrechterhalten. In diesen Szenen erfährt man einiges über Ostfriesen und deren Sitten und Gebräuche, was den Aspekt des Lokalkolorits noch verstärkt.

Weitere Fälle sind bereits erschienen

Der schwächere Teil ist in diesem Fall tatsächlich der Kriminalfall, bei dem vieles bereits zu Beginn klar scheint. Zudem sollte man nicht in den Überschriften der einzelnen Kapitel bereits zu viel über den Inhalt verraten, das nimmt tatsächlich die Spannung beim Lesen. Auch hätte ein sorgfältigeres Lektorat vielleicht noch den einen oder anderen Tippfehler entdecken können. Das Cover des Romans aus dem Niemeyer Verlag ist treffend gestaltet, auf der Rückseite sieht man ein passendes Motiv zum Roman aus dem Museumshafen. Für Nicht-Ortsansässige oder Wiederholungsurlauber wäre eine Karte des Orts schön, anhand der man sich über die Örtlichkeiten orientieren könnte. Hier kann der Verlag für künftige Fälle noch nachbessern.

Ein paar cliffhangerähnliche Situationen halten die Spannung allerdings bis über die letzte Seite aufrecht und man darf gespannt sein, ob man die eine oder andere Figur im nächsten Roman wiedertrifft. Insgesamt eine schöne Werbung für Lokalkrimis, die man nicht nur im Urlaub lesen kann, zumal "Küstennächte" im tiefsten Winter spielt. Aber ein Blick auf den Weihnachtsbaum, der tatsächlich jeden Winter in der Mitte des Hafens platziert wird, lohnt sich in jedem Fall. Carolinensiel ist immer eine Reise wert.

Küstennächte

Gaby Kaden, CW Niemeyer

Küstennächte

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