Drifter

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2016
  • 2
  • New York: G. P. Putnam's Sons, 2015, Titel: 'The Drifter', Originalsprache
  • Berlin: Suhrkamp, 2016, Seiten: 414, Übersetzt: Thomas Stegers
Drifter
Drifter
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Jürgen Priester
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2016

Jimmys Vermächtnis

Am 11.11. jeden Jahres beginnt bei uns die sogenannte "fünfte" Jahreszeit (Beginn des Straßenkarnevals), ähnlich bunt feiern die USA an diesem Tag den Veterans Day. Dieser Feiertag geht zurück auf den Waffenstillstand am Ende des 1.Weltkrieges. Mit viel Pomp und Pathos wird in Paraden, Gedenkfeiern oder bei Kranzniederlegungen der gefallenen Soldaten aller Kriege gedacht und die Kriegsheimkehrer werden mit Orden und schönen Worten geehrt. Die Kehrseite manch blinkenden Ordens ist, dass viele Kriegsteilnehmer physisch und/oder psychisch traumatisiert sind und ihre Unterstützung oftmals nur unzureichend ist. Die Selbstmordrate unter den ca. 20 Millionen Kriegsveteranen ist erschreckend hoch. Geschätzte 50.000 von ihnen sind obdachlos.

Ein dekorierter Kriegsveteran ist auch der Held des Debütromans des Amerikaners Nicholas Petrie. Peter Ash war als Offizier bei den Marines acht Jahre im Irak und in Afghanistan im Kampfeinsatz und hat so einiges durchgemacht. Als er endlich den Dienst quittiert und heimkehrt, muss er erschreckend feststellen, dass er eine Klaustrophobie entwickelt hat. Immer wenn er ein geschlossenes Gebäude betritt, überfällt ihn ein "Weißes Rauschen", wie er es nennt, verbunden mit Herzrasen, Kopfschmerzen, Enge in der Brust und heftigen Schweißausbrüchen, auch unter größeren Menschenansammlungen fühlt er sich nicht wohl. Deshalb verkriecht er sich in den einsamen Regionen der Rocky Mountains und campt in der freien Wildbahn. Nur gelegentlich sucht er die Zivilisation auf, um Vorräte zu ergänzen und Nachrichten abzurufen. Bei einem dieser Abstecher erfährt er, dass sich sein Freund und Kriegskamerad Jimmy Johnson umgebracht haben soll.

Jimmy hatte nach seinem Ausscheiden aus der Army mit seiner Frau und zwei Söhnen in Milwaukee gelebt. Peter Ash hatte den freundschaftlichen Kontakt mit der Familie Johnson während seiner Auszeit abgebrochen. Nun plagen ihn Schuldgefühle. Um sein schlechtes Gewissen, einem Freund in der Not nicht beigestanden zu haben, zu beruhigen, bietet Peter Jimmys Witwe Dinah seine Hilfe an. Da Peter handwerklich geschickt ist und aus bekannten Gründen lieber draußen im Freien arbeitet, kümmert er sich zuerst einmal um die marode Veranda von Dinahs Haus. Dort unter den Bohlen der Grundplatte entdeckt er einen Koffer mit, sage und schreibe, 400.000 Dollars und Tafeln von Plastiksprengstoff - Jimmys geheimes Vermächtnis.

Von der Existenz des Koffers ahnte Dinah nichts und sie hat auch keine Idee, woher ihr Mann das viele Geld haben könnte. Jimmy hatte sich in der letzten Zeit von seiner Familie abgesetzt und war viele einsame Wege gegangen. Diesen nachzugehen fühlt sich Peter Ash nun verpflichtet und er bekommt am eigenen Leib zu spüren, mit welch gefährlichen Leuten sich sein Kriegskamerad eingelassen hat, und was letztendlich zu dessen Tod geführt hat. Es scheint wie bei den Kriegseinsätzen in Afghanistan oder im Irak zu sein - Freund und Feind sind schwer zu unterscheiden.

Drifter ist nicht nur ein bedrückender, actiongeladener Thriller, sondern der Roman führt den Leser auch in eine Welt, die wir bei uns in Deutschland nicht in dieser Art kennen - die Welt der Kriegsveteranen. Wie eingangs erwähnt gibt es in den USA Millionen von ihnen, sodass sogar ein eigenes Ministerium (Department of Veterans Affairs) für sie eingerichtet wurde, das sich ausschließlich um ihre besonderen Bedürfnisse kümmern soll, aber nicht immer tut. Der Autor schreibt in einem Nachwort, dass er für die Recherche zu diesem Buch nicht nur Literatur gewälzt hat, sondern Wert darauflegte, sich mit möglichst vielen Betroffenen zu unterhalten, um einen umfassenden Eindruck vom Leben der Veteranen zu bekommen.

Wen es interessiert, wie es deutschen Kriegsveteranen ergehen kann, dem sei das eindrucksvolle "Kriegsgebiete" von Roland Spranger empfohlen.

Drifter

Nicholas Petrie, Suhrkamp

Drifter

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