Herzgift

  • Manhattan
  • Erschienen: Januar 2016
  • 1
  • London: Bantam, 2014, Titel: 'Keep Your Friends Close', Seiten: 336, Originalsprache
  • München: Manhattan, 2016, Seiten: 336, Übersetzt: Eva Bonné
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Andreas Kurth
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2016

Wenn Frauen hassen, wird es richtig heftig

Natasha und Sean Wainwright betreiben erfolgreich ein kleines Hotel im malerischen Lake District in den englischen Midlands. Auch nach 16 Jahren Ehe sind sie noch irgendwie zufrieden, können ihren zwei Töchtern viel Luxus bieten. Die dafür erforderliche harte Arbeit lastet allerdings vor allem auf Nattys Schultern, sie ist im Hotel und auch in der Familie die treibende Kraft. Und dann wird diese Idylle ebenso plötzlich wie gnadenlos zerstört.

Felicity, die jüngere Tochter, ist auf Klassenreise in Frankreich, als sie einen Durchbruch des Blinddarms erleidet. Natty bricht sofort auf, um ihrer Tochter dort beizustehen. Ihre beste Freundin Eve ist gerade zu Besuch, und will sich während Nattys Abwesenheit um Sean und die 16-jährige Alice kümmern. Als Natty nach zehn Tagen zurückkehrt, liegt ihre kleine Welt komplett in Trümmern. Sean gesteht seiner Ehefrau, sich in Eve verliebt zu haben, und zieht mit seiner neuen Geliebten ins Hotel. Natty scheint durchzudrehen - und merkt erst nach einigen Aussetzern, wie sie und ihre Familie manipuliert werden. Doch dann ist es ein weiter und dornenreicher Weg für Natty, das auch ihren Mitmenschen zu beweisen.

Scheinbar normale Ehe steht auf ganz dünnem Eis

Paula Daly hat mit Herzgift einen Psycho-Thriller geschrieben, der diesen Namen wirklich verdient. Das erste Buch der Autorin hat bereits für Furore gesorgt, und Daly knüpft da nahtlos an. Schon im Prolog wird dem Leser deutlich, dass er hier einiges an menschlichen Abgründen zu erwarten hat. Natty und ihr Ehemann Sean sind ein Paar wie viele andere - und gerade deshalb lauern die Probleme dicht unter der Oberfläche dieser scheinbar ganz normalen Ehe.

Natty ist eindeutig die Macherin in Hotel und Familie, Sean braucht immer entsprechende Hinweise, damit er die Arbeit nicht völlig übersieht. Auch die Erziehung der Kinder bleibt weitgehend an Natty hängen. Wenn sie dann nach harter Arbeit aus dem Hotel kommt, und Sean liegt mit seiner Zeitung im Bett, ohne sich um irgendetwas zu kümmern, geht ihr Interesse am Austausch von Zärtlichkeiten gegen Null. Der Boden für eine hell auflodernde Krise in dieser eher fragilen Beziehung ist also im Grunde bestens bereitet. Und wie heisst es so schön im Buch:

 

"Manchmal braucht es zu einer erfolgreichen Zersetzung nicht mehr als einen leisen Zweifel, der an der richtigen Stelle gesät wird."

 

Gezielter Angriff löst gnadenlosen Psycho-Krieg aus

Nattys große Schwäche ist, und das ist ihr nur zu bewusst, dass sie außerordentlich leicht reizbar ist. Sean bringt sich nach ihrer Auffassung nicht genug ein. Kein Wunder also, dass der gezielte Angriff ihrer alten Freundin Eve das fragile Familienleben der Wainwrights mühelos zum Einsturz bringt. Der Blinddarm-Durchbruch von Tochter Felicity und Nattys überstürzte Abreise nach Frankreich macht den Weg zu ihrem Ziel für Eve dann noch besonders leicht.

Die studierte Psychologin ist ein gewissenloses Biest, und setzt alle denkbaren und undenkbaren Mittel ein, um Sean auf ihre Seite zu ziehen - was ihr vollkommen problemlos gelingt. Als Natty dann voller guter Vorsätze in Bezug auf ihre Ehe wieder nach Hause kommt, bricht der Psychokrieg mit voller Schärfe aus.

Paula Daly zeigt gnadenlos auf, wie tief eine Frau fallen kann, die in einer Schwäche-Situation von ihrer scheinbar guten Freundin ohne jede Skrupel hintergangen und mit allen Mitteln ausgebootet wird. Die Autorin trägt dabei zeitweilig ziemlich dick auf, aber das habe ich nicht als störend empfunden. Für den Spannungsbogen ist das richtig gut, denn man fragt sich ständig, wie es denn nun weitergehen wird.

Daly beschreibt sehr authentisch die problematische Gemütslage von Natty, die zeitweilig sogar mit dem Gedanken an Selbstmord spielt. Hass, Eifersucht, Verzweiflung - es geht hier um tiefe Gefühle. Aber auch um Eve, die absolut berechnend und ohne jedes Mitleid ihren Plan durchzieht. Als Natty dann doch die Kurve kriegt und zum Gegenschlag ausholt, wird es richtig spannend. Mehr kann hier nicht verraten werden, aber das dramatische und überraschende Ende ist der Autorin in meinen Augen überaus gut gelungen.

Ein Psycho-Thriller voller Gemeinheiten und Überraschungen

Im Grunde spielt sich nur ein Duell zwischen Natty und Eve ab, die Kinder hängen irgendwann so richtig dazwischen, und Sean ist ein ziemlicher Trottel, der nicht nur überfordert ist mit der unglaublichen Situation, sondern nach Anerkennung bettelnd Eve auch noch in die Karten spielt. Die beiden Töchter der Wainwrights sind höchst unterschiedlich, was aber wohl aus dramaturgischen Gründen so sein muss. Eine böse Schwiegermutter und andere Figuren komplettieren das Tableau der Nebenrollen.

Paula Daly hält sich beim Erzählen ihrer spannenden Geschichte kaum mit Nebensächlichkeiten auf, das Buch hat die richtige Länge, und ist flüssig und sehr gut lesbar. Herzgift ist ein Psycho-Thriller, wie ich ihn mir vorstelle. Hart an der Kante der möglichen Realität, voller Gemeinheiten und Überraschungen. Ein kurzweilige Lektüre, bei der man mitleiden und mithassen kann - wenn man das denn will. Partei wird man in irgendeiner Form ergreifen, dafür ist die Geschichte zu sehr aus dem Leben gegriffen, als dass man die Handlung nur distanziert zur Kenntnis nehmen könnte. Kurzum: Ein lesenswertes Buch einer guten Geschichten-Erzählerin.

Herzgift

Paula Daly, Manhattan

Herzgift

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