Frettchenland

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2015
  • 4
  • Dortmund: Grafit, 2015, Seiten: 256, Originalsprache
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Silke Wronkowski
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2015

Erfolg fast ohne Rezept

Martin Nettelbeck und sein Kollege Wilbert Täubner schickt Autor Rainer Wittkamp in Frettchenland ein drittes Mal auf die Straßen Berlins. Neonazis, Flüchtlinge, Bandenbosse, Kleinkriminelle? Nein, dieses Mal geht's in den Bundestag und wird politisch. Ein Abgeordneter lässt sich nicht gefallen, von einer Personenschützerin um wichtige, und besser geheim gehaltene, Daten gebracht zu werden und hat keinerlei Skrupel, sie dafür töten zu lassen. Ein Staatssekretär sucht sich seine minderjährigen Praktikantinnen nur nach körperlichen Aspekten aus, gerät aber dieses Mal an die Falsche, und wird um "Gefallen" erpresst, damit die sehr eindeutigen Nacktselfies weiterhin geheim bleiben. Und Lotte Weilands Freund versucht vergeblich zu vertuschen, auf welche Suche totbringende Suche er seine Freundin im Bundestag geschickt hat.

Dies ist seit langem der erste Klappentext, der den Lesern nichts vorgaukelt, was der knapp 250 Seiten dünne Roman dann nicht halten kann – und das ist durchaus mal erwähnenswert. Auch die neu eingeführten Personen – ob nun Schuldige, Opfer oder Nebencharaktere – zeichnet Wittkamp mit gleicher Freude am Detail wie seine Serienfiguren, versorgt alle mit einer gesunden Portion Skurrilität und Realitätsnähe gleichermaßen, das sie so manches Mal erschreckend greifbar macht. Und gerade bei den beschriebenen Herren Politikern möchte man dies eigentlich besser nicht wahr haben.

Erfrischend unterschiedlich sind die Fälle des Berliner LKAs, was so gar nicht typisch für Serienautoren ist, so dass der einzig rote Faden die privaten Belange seiner wiederkehrenden Berliner Ermittler ist. Und dass diese gerade genug Raum in seinen Büchern einnehmen, ist vielleicht der knackigen Kürze seiner Romane geschuldet. Rainer Wittkamp hat die perfekte Balance zwischen Seriencharakter und Polizeiermittlung gefunden, so dass sich auch Frettchenland kurzweilig und spannungstreibend lesen lässt. Hier ist kein Dialog zu langatmig, keine Szene überflüssig und kein Seelenleben zu blumig beschrieben.

Die Geschichte um Lobbyisten, Abgeordnete und Korruption klingt nach akribischer Recherche und auch wenn der Autor – selbst Wahlberliner – seine Stadt wie seine Westentasche kennt, so rückt Berlin nicht zu sehr in den Vordergrund, als das man dem Roman den Stempel "Regio" aufdrücken könnte. Überhaupt: Jede Schublade, in die man Rainer Wittkamps Nettelbeck-Reihe stecken wollte, würde ihr nicht gerecht werden. Und das ist auch gut so, gibt es ihm doch die Freiheit, auch im vierten Teil wieder mit etwas völlig Neuem aufzuwarten und seine – spätestens jetzt – Fans der Serie erneut zu fesseln.

Frettchenland

Rainer Wittkamp, Grafit

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