Die Giftköchin

  • Ehrenwirth
  • Erschienen: Januar 1998
  • 14
  • Porvoo; Helsinki; Juva: WSYO, 1988, Titel: 'Suloinen myrkynkeittäjä', Seiten: 194, Originalsprache
  • München: Ehrenwirth, 1998, Seiten: 209, Übersetzt: Regine Pirschel
  • Bergisch-Gladbach: BLT, 2000, Seiten: 211, Übersetzt: Regine Pirschel
Die Giftköchin
Die Giftköchin
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Thomas Kürten
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Verwandte und andere Kriminelle

Was Kaurismäki für den Film ist, ist Paasilinna im Bereich der Literatur. Der schillerndste Vertreter eines ganz eigenen, finnischen Humors und in seiner Heimat ein gefeierter Star. Aber auch außerhalb Finnlands hat er sich bereits begeisterte Fans erobert und seine in viele Sprachen übersetzten Bücher konnten bereits viele Preise - nicht nur in der Heimat - gewinnen.

Die alte Offizierswitwe Linnea Ravaska lebt auf einem Hof 50km außerhalb von Helsinki. Hier auf dem Lande ist das Leben ruhig und beschaulich. Einmal im Monat holt sich die liebenswerte Dame ihre Witwenrente von der Bank im Dorf ab. Und seit Jahren hat sie Angst vor diesem Tag. Ihr missratener Neffe Kauko kommt dann nämlich vorbei, ein niederträchtiger, skrupelloser und verlogener Kleinkrimineller, der dann seine liebe alte Tante bedrängt und ihr die Rente abnimmt. Linnea Ravaska verflucht die Tage, an denen sie ihre Rente erhält.

Diesmal bringt Kauko sogar zwei Freunde aus Helsinki im gestohlenen Auto mit. Die drei jungen Männer schlagen die rüstige Alte, nehmen ihr das Geld ab, kaufen Schnaps und verziehen sich mit lautem Getöse in die Sauna hinterm Haus, die sie rücksichtslos verwüsten. Eine schlaflose Nacht und ein noch schlimmerer Tag danach. Kauko kommt auf die gloreiche Idee, dass es an der Zeit für seine Tante sei, endlich ihr Testament zu schreiben. Die Offizierswitwe bekommt Angst, ihr letztes Stündlein könnte schon sehr bald schlagen. Sie flüchtet vor den Vandalen in den Wald.

Ihre Flucht führt nach Helsinki, zu einem alten Freund, einem Mediziner. Bei ihm findet sie Zuflucht. Hier ist sie vor den Gewaltausbrüchen ihres missratenen Neffen und seiner Freunde vorerst sicher. Und dann überlegt sie sich, was wohl passieren kann, wenn sie doch von ihm gefunden wird. Das würde sicherlich wieder Prügel und Schläge bedeuten. Linnea ist eine alte Frau, sie hatte ein erfülltes Leben und will auf ihre alten Tage nicht mehr viele Qualen erleiden. Da kommt ihr eine Idee, wie sie sich vor ihren Peinigern schützen kann. Über den Medikamentenschrank des Arztes hat sie Zugriff zu giftigen Substanzen. In einem dicken, alten Buch findet sie ein Kapitel, wie solche Substanzen wirkungsvoll gemischt werden. Sie kocht sich ein Giftsüppchen und schwört sich, immer eine Dosis für sich selber dabei zu haben, damit sie sich vor den Schlägen ihres Neffen in den Freitod flüchten kann.

Und eines Tages finden die jungen Männer tatsächlich heraus, wohin die Alte geflohen ist. Die drei müssen jedoch schmerzhaft erfahren, dass eine Offizierswitwe ein ernst zu nehmender Gegner sein kann und einer nach dem anderen muss diese Einsicht teuer bezahlen.

Eine wirklich nette kleine Geschichte, voller Groteske und schwarzem Humor. Paasilinna ist bei aller Komik ein Meister der kleinen Tönen. Seine Figuren sind überspitzt gezeichnet, gleichen beinahe Comicfiguren. Die Offizierswitwe, vertrieben aus einem kleinen Paradies vor den Toren der großen Stadt, gerät ungewollt in die Rolle des Racheengels. Dennoch kann man nicht anders, als sie auf jeder Seite als liebenswürdigen Menschen zu schätzen. Sie und der Arzt sind alt, tattrig und schwach, aber absolut gutherzig und rein. Eine Oma, von der jeder Enkel träumen würde. Und gleichzeitig wird Kauko mit seinen Freunden in jeder einzelnen Zeile als derart abgrundtief schlechter Mensch beschrieben, dass man ihm nur Verachtung entgegen bringen kann. Für die Komik sorgt dabei in erster Linie das extrem verschobene Unrechtsbewusstsein von Kauko und dessen Freunden. Ungerecht empfinden die drei jungen Männer beispielsweise, dass man für die Ermordung eines alten Menschen genauso lange ins Gefängnis muss, wie für die Ermordung eines jungen. Dem alten Menschen nimmt man schließlich viel weniger Lebensjahre weg. Hier müsste das Gesetz also wirklich mal überdacht werden. Eigentlich müsste man ja sogar belohnt werden, weil man die Rentenkasse des Staates entlastet. Und wieso sollte man den Bus nehmen, wenn man auch ein Auto mit Klimaanlage stehlen kann? Da werden Hunde erschlagen und kleine Ferkel geraubt und gegrillt. Und Raubüberfälle sind auch okay, denn wovon soll sonst das Geld für den Schnaps kommen.

Boshafter Witz verklingt aus Paasilinnas Romanen. Auf jeder Seite ein zumindest kleiner Schmunzler. Und der Finne ist ein hervorragender Erzähler, beschreibt in wenigen Worten alles wesentliche zu einer Szene, wird eigentlich niemals zu ausschweifend und kann dennoch hervorragend die Atmosphäre einfangen. Auf gerade mal 210 Seiten wird "Die Giftköchin" so zu einem kurzweiligen Lesevergnügen mit einem wohl typischen Paasilinna-Ende. Denn schließlich landen alle Finnen nach ihrem Tod in der Hölle.

Die Giftköchin

Arto Paasilinna, Ehrenwirth

Die Giftköchin

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