Die purpurnen Flüsse

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 1998
  • 67
  • Paris: Albin Michel, 1997, Titel: 'Les rivières pourpres', Originalsprache
  • München: Ehrenwirth, 1998, Seiten: 394, Übersetzt: Barbara Schaden
  • Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2000, Seiten: 413
  • Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2001, Seiten: 413
  • Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2002, Seiten: 413, Bemerkung: Sonderausgabe
  • München: Süddeutsche Zeitung, 2006, Seiten: 330
  • Bergisch Gladbach: Lübbe Audio, 2004, Seiten: 6, Übersetzt: Joachim Kerzel
  • Berlin: Springer, 2011, Seiten: 372
  • Bergisch Gladbach: Lübbe Audio, 2009, Seiten: 6, Übersetzt: Joachim Kerzel
Die purpurnen Flüsse
Die purpurnen Flüsse
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Peter Kümmel
96°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2003

Grangé kann nicht nur unterhalten, sondern auch hervorragend schreiben

Viel Zeit nimmt sich Jean-Christophe Grangé, um den Leser in zwei zunächst völlig unabhängige Handlungsstränge einzuführen. Viel Zeit - das heißt jedoch nicht zwangsläufig langatmig; ganz im Gegenteil: Action von der ersten Seite an. Beide Stränge sind zudem mit jeweils einem harten und eigenwilligen Protagonisten ausgestattet, die trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer nicht ganz gesetzeskonformen Ermittlungsmethoden und wegen ihres aufbrausenden Temperaments sofort die Sympathie des Lesers gewinnen können.

Protagonist Nummer Eins ist Kommissar Pierre Niémans, einer der bekanntesten Polizisten Frankreichs, der Action einem Schreibtischjob vorzieht und dessen Temperament ein wenig zu oft mit ihm durchgeht. Als er nach einem Fußballspiel in Paris einen brutalen Mord zwischen rivalisierenden Fan-Gruppen beobachtet, stellt er den Täter, schlägt diesen bis zur Unkenntlichkeit zusammen und kann gerade noch davon zurückgehalten werden, ihn vorsätzlich zu erschießen. Dies bringt ihm ein Ermittlungsverfahren ein. Da kommt Niémans eine Abordnung in die Universitätsstadt Guernon in den Bergen in der Nähe von Grenoble gerade recht. Dort hat ein grausamer Mord die gesamte Universität in Aufruhr versetzt und deren Direktor setzt alles daran, den Fall aufzuklären, eher er allzu hohe Wellen schlägt. Der Uni-Bibliothekar Rémy Callois wurde aufs Grausamste gefoltert, ermordet und sein Leichnam in einer nur schwer zugänglichen Felsspalte aufgehängt.

Protagonist Nummer Zwei ist der maghrebinische Polizeileutnant Karim Abdouf, mit seinen Rastalocken nicht gerade als Polizist erkannbar, der nach seiner Jugend, die er mit Autoknacken verbrachte, im Gegensatz zu den meisten seiner Freunde noch die Kurve gekriegt und die Seiten des Gesetzes gewechselt hat. Seinen Eigensinn hat er jedoch nicht verloren und da er große Probleme hat, sich unterzuordnen, ist er schließlich in dem kleinen Provinznest Sarzac gelandet. Der Fall, mit dem er zu tun hat, scheint ungleich weniger eindrucksvoll, doch wesentlich mysteriöser zu sein. In die Grundschule des Ortes wurde eingebrochen, gestohlen wurde jedoch, wie es scheint, überhaupt nichts.

Auch auf dem Friedhof geschah ein ähnlich seltsamer Einbruch. Eine Gruft wurde aufgebrochen, doch auch hier scheint nichts zu fehlen. Dabei handelt es sich um das Grab von Jude Itéro, einem Jungen, der vor 14 Jahren im Alter von 10 Jahren gestorben ist. Von dort führt Karim der Weg wieder zurück zur Schule, um nachzuforschen, was es mit diesem Jungen auf sich hat. Und nun entdeckt er, was gestohlen wurde. Sämtliche Unterlagen der Jahrgänge, in denen sich Informationen über Jude Itéro hätte befinden müssen, sind verschwunden. Auch weitere Nachforschungen, z.B. bei einem Fotografen, ergeben, dass es keinerlei Spuren vom Leben des kleinen Jungen gibt. Es scheint, dass jemand ganze Arbeit geleistet hat, um alles, was auf dessen Leben oder Tod hinweisen könnte, sorgfältig zu tilgen.

Zunächst scheinen die beiden Handlungsstränge völlig unabhängig voneinander zu sein, dann erkennt zunächst der Leser selber und erst später die Beteiligten erste Zusammenhänge. Der Weg zur Herkunft des kleinen Jungen führt Karim über Umwege bis nach Guernon, wo sich die beiden Protagonisten finden und gemeinsam versuchen, die Rätsel aus der Vergangenheit mit denen der Gegenwart in Einklang zu bringen und zu lösen.

Jean-Christophe Grangé hat mit Die purpurnen Flüsse einen von Anfang an superspannenden Thriller geschaffen, der es fast unmöglich macht, das Buch auch nur einen Moment lang zur Seite zu legen. Zu rätselhaft bleibt das Geschehen, jeder Ansatz von Hinweisen wirft wieder neue Fragen auf. Sehr intelligent und Schritt für Schritt baut der Autor seinen Plot auf und immer wieder neue überraschende Wendungen sowie Querverbindungen sorgen für unverhohlenes Lesevergnügen. Dazu muß man feststellen, dass der Schreibstil des Franzosen ganz hervorragend ist. Obwohl sehr leicht lesbar, ist das Buch sprachlich erste Sahne. Grangé formuliert seine Sätze mit reichem Wortschatz, so dass alles sehr bildhaft und gut vorstellbar beschrieben ist. So schafft er eine Atmosphäre mit bedrohlicher Stimmung.

Dazu reichlich Dialoge, die lebensecht klingen und das Buch zu einem Pageturner werden lassen. Grangé zeigt sich hier als ein Autor mit einer unglaublichen Fantasie, die bis über den Rand des Vorstellbaren hinaus geht, aber dennoch gerade noch im Rahmen des eventuell Möglichen bleibt. Leichte Verwirrungen, die man beim Lesen bekommt, sorgen dafür, dass man auch nicht allzu oberflächlich über das Buch hinweg liest.

Auch die Charaktere haben klare Konturen, sind detailliert und vielschichtig aufgebaut. Die beiden Protagonisten mit ihren Ecken und Kanten sind wahrlich keine Standard-Ermittler mit den üblichen Moralvorstellungen eines guten Polizisten und die Nebenstarsteller ergänzen die rätselhafte Handlung ganz hervorragend. Grangé liefert hier vielen amerikanischen Thrillerautoren ein gutes Beispiel, wie man ohne Klischees auskommen kann.

Im Prinzip gibt es bei diesem Thriller nichts zu kritisieren, nicht mal die relativ weit hergeholte Auflösung des Falles. Denn ich sage immer: ein Unterhaltungsroman muß nicht zwangsläufig realistisch und glaubhaft sein, denn er soll primär gut unterhalten und spannend sein, dazu logisch aufgebaut sein. Und dies alles ist hier zu 100% erfüllt. Zudem bietet der Autor eine ungewöhnliche Geschichte und keine 08/15-Kost.

Ein geniales Buch, dass man sich nicht entgehen lassen sollte. Bezogen auf seine Brutalität auch keine leichte Kost. Aber keinesfalls damit anfangen, falls man in den nächsten beiden Tagen etwas Wichtiges vor hat.

Die purpurnen Flüsse

Jean-Christophe Grangé, Lübbe

Die purpurnen Flüsse

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