Heiligenblut

  • Graf
  • Erschienen: Januar 2013
  • 0
  • München: Graf, 2013, Seiten: 320, Originalsprache
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Andreas Kurth
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2013

Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen

Der Münchener Chefermittler Mader und sein Team müssen einen sensiblen Fall bearbeiten. Aus einem Bürofenster des kirchlichen Palais an der Kardinal-Faulhaber-Straße stürzt am hellen Tage ein Priester zu Tode. Unfall oder Mord? Die Suche nach einem Motiv wird zunächst zum Hauptproblem der Kriminalpolizisten. Bruder Wolfgang war Verwaltungsfachwirt und hat die kirchlichen Liegenschaften verwaltet. Es sollte sich derzeit um den Verkauf einer Ladenpassage kümmern, ein lukrativer Millionen-Deal. Zwei Konsortien – aus München und aus Mailand – haben Gebote abgegeben. Die Polizisten finden zudem eine geheime Zweitwohnung des Priesters, die aber vor dem Eintreffen der Ermittler in die Luft fliegt. Immerhin wird noch eine weibliche Leiche im Säure-Bad entdeckt. Neben dem Schmiergeld-Verdacht gegen Bruder Wolfgang haben die Kommissare bald einen weiteren Fall zu bearbeiten. Der illegale Handel mit Antiquitäten der Kirche ist offenbar gut organisiert und blüht im Verborgenen – unter Beteiligung des verblichenen Bruder Wolfgang. Der hat offenbar ein Notizbuch gehabt, hinter dem nun alle her sind.

Mit Heiligenblut ist Harry Kämmerer eine passable Mischung zwischen Kriminal-Roman und Kriminal-Komödie gelungen. Das ernste Thema wird in einem lockeren und saloppen Sprachstil angegangen. Die unvermeidbar eingestreuten Dialoge in bayrischer Mundart sind auch für Menschen, die ihre Muttersprache nördlich des Weißwurst-Äquators erlernt haben, durchaus nachvollziehbar und verständlich. Kämmerer dosiert den bajuwarischen Dialekt derart mundgerecht, dass es wirklich zum Lesevergnügen wird. Sein Buch ist ein Regional-Krimi im besten Sinne des Wortes – vor allem, man diese Kategorie mal nicht abwertend benutzen möchte. Er entwickelt zwischen München, Niederbayern und Passau ein Szenario, das es wirklich in sich hat.

Das Rätsel um den toten Mönch, der offensichtlich auf finsteren Abwegen wandelte, ist so interessant und amüsant gestaltet, dass die zu Beginn eher mäßige Spannung bestens kompensiert wird. Was mir dabei ganz persönlich gefallen hat, ist die Einteilung in kurze Kapitel, die zuweilen sogar nur wenige Sätze umfassen. Für notorische Intervall-Leser ist das hervorragend, denn sie können die Lektüre jederzeit unterbrechen, ohne größere Orientierungsprobleme zu haben. Dass mag sicherlich nicht jeder Leser – aber mir hat es gut gefallen.

Die Handlung des Romans ist dabei gleichmäßig aufgeteilt. Die eine Hälfte widmet der Autor der eigentlichen Kriminalgeschichte, in der anderen Hälfte werden ausführlich die privaten und beruflichen Nöte des Ermittlungsteams geschildert und förmlich durchgekaut. Da ist beispielsweise Kommissar Zankl, dem nach der Rückkehr ins traute Heim sofort seine schreiende Tochter in den Arm gelegt wird. Die liebe Ehefrau Conny muss nämlich unverzüglich zur Rückbildungsgymnastik aufbrechen. Wie so oft ist also von einem entspannten Feierabend keine Rede.

Zankls Kollege Hummel wird langsam wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert, denn er hatte einen schweren Unfall. Um ihn nicht zu sehr zu belasten, wird er nur mit leichten Aufgaben betraut, und hat viel Freizeit für seine geliebte Beate. Wenn er doch nur nicht die Nachricht auf dem Spiegel mit ihrem teuren Lippenstift geschrieben hätte. Der folgende Ärger wiegt die Schonbehandlung durch die Kollegen allemal auf.

Die größten Sorgen hat die Frau im Team. Doris, von allen nur Dosi genannt, hat ständig Stress mit ihrem Ex-Mann. Im fernen Passau hatte sich die beiden ein feines Nest gebaut, doch nach der Trennung wohnt Eric dort mit seiner neuen Freundin günstig zur Miete, aber an Dosi bleiben die Kosten hängen, denn seine Zahlungsmoral ist nicht die beste. Als er nun plötzlich von der Bildfläche verschwindet, gerät Dosi selbst in das Visier ihrer Passauer Kollegen.

Der Kriminalfall –oder besser die Kriminalfälle – werden von Harry Kämmerer immens ausgeschmückt, er trägt da richtig dick auf. Kriminelle Mitarbeiter der Kirche, Immobilienhaie, Schmuggler, Antiquitäten-Schieber, Mörder – hier wird kaum etwas ausgelassen. Und das so herrlich quer vermengt mit dem Leben der Polizisten. An das Niveau eines Jörg Maurer reicht Kämmerer mit diesem lesenswerten Buch noch nicht heran, aber unterhaltsame und auch durchaus vergnügliche Lektüre ist dieser recht spezielle Roman allemal. Beim Spannungsaufbau ist allerdings noch reichlich Luft nach oben. 

Heiligenblut

Harry Kämmerer, Graf

Heiligenblut

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