Wen der Tod rockt

  • Echomedia
  • Erschienen: Januar 2013
  • 9
  • Wien: Echomedia, 2013, Seiten: 476, Originalsprache
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Jochen König
44°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2013

Ja, dann geht's schepper, klepper, depper, roll, roll

Der Titel lügt. Denn der Tod in Thomas Cervenys Debüt-Roman "rockt" nicht. Knietief im Klischeebaukasten präsentiert Cerveny, im Klappentext als "wandelndes Rocklexikon" tituliert, am liebsten etablierte Mainstream-Mucke, die ihre Krönung in einer Bon Jovi-Powerballade findet. Da halten wir uns lieber an Neil Young: "And once you're gone, you can never come back.

Held Alexander bekommt aber die Gelegenheit seine Flitzefinger übers Gitarrenbrett wandern zu lassen, um bei einem Contest mit mehr als Aushilfsfähigkeiten zu glänzen, gerade so als wäre 80er-Jahre-Schlock-Rock die Sahne auf einem zünftigen Erfolgskuchen. Nach mehr als einem Jahrzehnt im neuen Millennium. In Los Angeles. Lasst das Schwein fliegen.

Doch langsam. Erst findet Alexander Neuberger, noch im bürgerlichen Leben, im Anschluss an eine Geschäftsreise seinen Kumpel und Gitarrenlehrer Herbie sterbend im gemeinsamen Wiener Übungsraum. Leider hat der Killer noch nicht ausgecheckt, doch dem überraschten Alexander gelingt die Flucht. Herbie blieb sogar die Zeit und Gelegenheit, ihm einen Frauennamen und eine Zeitangabe ins Ohr zu flüstern. Flugs ins nächste Flugzeug gestiegen und ab in die USA gejettet, dem Land, in dem die Story, die zu Herbies Tod führte, ihren Anfang nahm, und Alexander, ohne gebundenen Zopf, endlich seine Berufung und möglicherweise große Liebe findet. Hilfreich unterstützt vom schwarzen Schaf der Familie, Onkel Hans, der lieber Plattenproduzent als Bäcker werden wollte und damit den gestrengen Oheim vergrätzte. Man sackt noch den Bluesmusiker Sam (böse Zungen wurden "Quotenneger" oder Schlimmeres behaupten) ein, der für Connections und Slapstick-Einlagen zuständig ist.

Gemeinsam begibt man sich in die Glitzerwelt des Rockbusiness, die sich ziemlich unspektakulär präsentiert, und auf einen Trip in die Vergangenheit, an dessen Ende Geheimnisse und Übeltaten aufgeklärt werden. Dummerweise hat der Killer mit den verschiedenfarbigen Augen (eine "Heterochromie", worauf der Autor nicht müde wird hinzuweisen) ähnliche Pläne und reist ebenfalls über den Atlantik. Es könnte also eng werden für den treuherzigen Alexander.

Glücklicherweise gibt es noch den österreichischen Inspektor Jank, der gemeinsam mit FBI-Kollegin McRyan (nein, er heißt nicht Harry und sie schon gar nicht Sally) Alexander erst als Tatverdächtigen, dann als mögliches Opfer verfolgt.

Wen der Tod rockt ist immer dann von bescheidenem Unterhaltungswert, wenn die unbedarften Protagonisten paddelig durch ein Rockn Roll-Szenario tapern, das wie ein Pop-Up aus dem Fundus von BRAVO-Enthüllungsstories schnellt. Große Villen, tolle Autos und Starallüren. Ansonsten von erschreckender Harmlosigkeit. Selbst sexuelle Eskapaden werden zugunsten einer möglichen Familienidylle geopfert. Keine zerberstenden Fernseher und zertrümmerten Hotelzimmer. Stattdessen Geklimper mit Glitzerketten und musikalische Kunststückchen aus dem Format-Radio. Den Alibi-Bluesman nicht vergessen und all die unerfüllten Träume und solche, die vielleicht wahr werden.

Gepaart mit einem Road-Trip durch ein Amerika aus der Bildband-Abteilung der örtlichen Bücherei. Die Story leckt an allen Ecken und Enden, hält aber noch einen Standard, der einen ambitioniert unterdurchschnittlichen Tatort auf die Plätze verweist (remember Lena Odenthals kaltherzige Operetten-Visite in Hollywood. Oder war´s Baden Baden?). Der Drahtzieher entlarvt sich eigentlich bereits bei seinem ersten Auftritt, zumindest dem TV-Serien- und Krimilektüre geschulten Auge. Findet einen akzeptablen Abschluss, wenn auch einleuchtende Beweggründe für die kriminelle Rahmenhandlung eher im Dunkel bleiben. Konsequenterweise entpuppt sich auch der, als mysteriöse Figur eingeführte, Killer als Depp, der selbst für einen übergewichtigen Kommissar aus Österreich kein großartiges Problem darstellt. Schon gar nicht, wenn eine liebreizende FBI-Agentin tatkräftig hilft (Warum auch immer. Das FBI scheint nicht unter Personalnot zu leiden und legt seine Kompetenzen recht frei aus. Und Jerry Cotton wäre keine erotische Verlockung für Paul Jank gewesen.).

Der gemütliche und bauernschlaue Jank ist die überzeugendste Figur des Romans, er erdet viele Unglaubwürdigkeiten und ist in einem Umfeld voller Amateure der einzige Profi. Leider versucht Cerveny die Arbeitsmoral des Wiener Polizisten durch ein intendiertes Techtelmechtel mit Kollegin McRyan aufzuweichen. Und das geht auf ebenso peinliche Weise schief wie alle Szenen, in denen Lust, Liebe und der Austausch von Körperflüssigkeiten regieren. Daran sind schon viele (Krimi)-Autoren gescheitert, Cerveny reiht sich auf klägliche Weise ein. Ballermann-Gefummel statt Hochglanz-Sex in der Stadt der Engel. Das Highlight bietet die namenlose Gespielin eines namenlosen (Ehe)-Mannes in einem nummernlosen Motelzimmer:

 

"Oh, mein gesuchter Schwerverbrecher, zeig mir, wie mans in der Unterwelt macht."

 

Sehen so Ekstase und wilde Rollenspiele aus wie Beamte auf Urlaub? Und das, wo es doch eigentlich von Original-Gangstern nur so wimmeln sollte. Fast so glaubwürdig wie beflissene asiatische (illegale???) Hausangestellte, die partout kein "r" aussprechen können. Neben lesbaren Passagen leidet Cerveny mitunter an sprachlicher und stilistischer Inkontinenz. "Sie wollen splechen Mistel Blown?"

Wollen wil nicht, aber wenn die Augsburger Puppenkiste je den Roman adaptieren sollte, würde ichs mir glatt anschauen. Für eine halbe Stunde. Ansonsten bleibe ich, was Krimis mit Bezug zur Rockmusik angeht, lieber Berni Mayer und dem Mandel treu. Die mögen wenigstens Powerballaden von Bon Jovi und Konsorten genauso wenig wie ich.

Wen der Tod rockt

Thomas Cerveny, Echomedia

Wen der Tod rockt

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