Schmutziger Tod

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2011
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  • Kopenhagen: People´s Press, 2010, Titel: 'Et stille umærkeligt drab', Seiten: 412, Originalsprache
  • München: Goldmann, 2011, Seiten: 447, Übersetzt: Günther Frauenlob & Maike Dörries
Schmutziger Tod
Schmutziger Tod
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2013

Roma, Muslime und ganz normale Bürger

Der dänische Krimi beginnt mit einem seltsamen Fund im fernen Ungarn. Ein Roma-Junge sucht mit seinem Freund in einem verlassenen Militärkrankenhaus der längst abgezogenen sowjetischen Truppen nach Dingen, die man noch verkaufen könnte. Er findet einen merkwürdigen Behälter mit radioaktivem Material, und geht höchst leichtsinnig damit um. Über dubiose Internetseiten bietet er seinen vermeintlichen Schatz zum Verkauf an. Dabei nutzt er den Computer seines Bruders, der später auch noch auf anderem Wege in die Angelegenheit hinein gezogen wird. Aus Dänemark melden sich Interessenten für das radioaktive Material . Als die Krankenschwester Nina Borg zu einer Gruppe illegal in Kopenhagen lebender Roma gerufen wird, unter denen eine mysteriöse Krankheit grassiert, werden die Behörden erstmals auf die Sache aufmerksam. Es dauert einige Zeit und erfordert mehrere Untersuchungen, bis das mysteriöse Leiden als Strahlenkrankheit diagnostiziert wird. Das Problem ist, dass der junge Roma aus Ungarn, der erst kürzlich bei der Gruppe auftauchte, jetzt verschwunden ist. Und nicht nur die Behörden sind hinter ihm und später hinter seinem Bruder her. Ein dramatischer Wettlauf gegen den Tod beginnt.

Lene Kaaberbøl und Agnete Friis haben mit ihrem Thriller Schmutziger Tod ein spannendes Debüt vorgelegt. Das Buch ist so gar nicht typisch für skandinavische Krimis, es könnte auch in einem anderen europäischen Land geschrieben worden sein. Darin werden zwei große Themen abgehandelt, die allerdings miteinander verwoben sind, und sich teilweise eben durch den Kriminalfall auch berühren. Zum einen geht es um die Situation von Einwanderern in Dänemark, wobei verschiedene Aspekte des Themas in den Roman einfließen. Da geht es um EU-Bürger aus ärmlicheren osteuropäischen Staaten, deren zunehmende Zuwanderung auch in Deutschland längst ein Thema ist. Und es geht um die nach wie vor mangelnde Akzeptanz der muslimischen Mitbürger und ihrer Religionsausübung in breiten Schichten der Gesellschaft.

Die aus Rumänien, Ungarn oder auch Bulgarien kommenden Menschen werden in vielen westeuropäischen Ländern wie Parias behandelt. Ihnen werden, wenn sie überhaupt Arbeit bekommen, oft die niedrigsten Tätigkeiten zugewiesen. Wie im Roman geschildert, hausen sie unter menschunwürdigen Bedingungen in kaum zumutbaren Unterkünften, hier ist es eine alte Fabrikationshalle. Die medizinische Versorgung spottet jeder Beschreibung, sofern es sie überhaupt gibt. Die geschilderten Vorkommnisse dürften allerdings keineswegs typisch für Dänemark sein, sondern das könnte so oder ähnlich auch in Deutschland oder anderen Ländern passieren. Wie das ganze Buch so wirkt auch dieser Teil hervorragend recherchiert und überaus eindringlich geschrieben. Den Helfern, die sich wie Nina Borg dieser Menschen annehmen, werden dann auch noch Hindernisse in den Weg gelegt.

Auch das ist eine Gemeinsamkeit vieler westeuropäischer Staaten. Nina Borg arbeitet als Krankenschwester für das Rote Kreuz in Kopenhagen. Sie kümmert sich um Flüchtlinge und Asylanten - und wird dabei täglich mit einer Welt konfrontiert, die den meisten ihrer Mitmenschen völlig fremd ist. Die Protagonistin des Romans ist eine richtig starke Figur, die ihre unvermeidlich scheinenden privaten Probleme mit bewundernswerter Bravour meistert. Der sozialkritische Aspekt des Buches wirkt dabei keineswegs aufgesetzt, sondern überaus authentisch, weil realitätsnah.

Das zweite große Thema ist die unfassbare Diskriminierung der Roma in ihren Heimatländern. Auch hier gilt, dass Ungarn wohl nur beispielhaft dafür steht, wie in Osteuropäischen Ländern mit solchen Außenseiter-Gruppen in der Gesellschaft umgegangen wird. Die Schilderung der niederschmetternden Lebensverhältnisse der Roma in Ungarn, und vor allem der Umgang des Systems mit dem Jura-Studenten, macht den Leser wirklich betroffen.

Eingebettet werden die zwei großen Themenstränge in eine spannend und gut lesbare Kriminalgeschichte. Das Autorinnen-Duo liefert lebensnahe Dialoge, interessante Charaktere und hat einen lockeren Erzählstil. Es gibt gierige Kriminelle, arglose Träumer, hoffnungslose Idealisten und in ihre antiquierten Ansichten verrannte Bürger. Die Mischung ist gut komponiert, und sorgt dafür, dass man das Buch aber einer bestimmten Stelle kaum wieder zur Seite legen möchte.

Schmutziger Tod

Agnete Friis, Lene Kaaberbøl, Goldmann

Schmutziger Tod

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