Unter aller Sau

  • Droemer
  • Erschienen: Januar 2012
  • 0
  • München: Droemer, 2012, Titel: 'Unter aller Sau', Seiten: 320, Originalsprache
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2013

Wehrhafte Bajuwaren kämpfen gegen Rumänenbande

Zwei Buben im kleinen Niedernussdorf finden im Bach eine Plastiktüte mit Geld und geben sie pflichtbewusst bei der Polizei ab. Die Provinz-Polizisten Erwin und Richie gehen der Sache widerwillig nach – und finden am Oberlauf des Gewässers eine tote Frauen-Leiche. Richie wittert unangenehme Arbeit, und möchte die Tote am liebsten über die Grenze zur Nachbargemeinde zerren. Aber sein Kollege Erwin – nicht besonders helle, aber eben pflichtbewusst – ruft Dienststellenleiterin Gisela Wegmeyer an. Deren Anruf bei der Mordkommission Straubing bringt Hauptkommissar Lederer auf die Bühne – nach eigener Einschätzung der schönste Polizist Niederbayerns. Es gibt das unvermeidliche Gerangel um die Ermittlungen, mit wenig Feingefühl bringt der Straubinger seine Provinzkollegen und die Bevölkerung in Rage. Als es eine weitere Tote gibt, eskaliert die Lage, und die rumänischen Besitzer des als Kosmetiksalon getarnten Bordells im Nachbarort greifen zu rabiaten Methoden. Sie haben allerdings nicht mit dem Starrsinn und der Wehrhaftigkeit der Bajuwaren und dem Einsatzwillen der Polizei gerechnet.

Ein wenig erinnert Christian Limmers Kriminalroman in seiner Konstellation an die ARD-Serie "Mord mit Aussicht". Aber während dort die Großstadt-Kommissarin immerhin aus Köln in die Eifel muss, ist hier "nur" der Straubinger Hauptkommissar im – fiktiven Ort - Niedernussdorf tätig. Aber immerhin - die Gegensätze und beiderseitigen Vorurteile könnten kaum größer sein. Der – um es positiv auszudrücken – bodenständigen Polizei-Crew aus der Provinz steht der scheinbar weltmännische und mit allen Wassern gewaschene Kripo-Ermittler gegenüber. Die sich daraus ergebenden Reibungen werden vom Autor höchst amüsant und mit tollen Dialogen nachgezeichnet.

Spannung baut Christian Limmer nicht durch überraschende Wendungen auf, sondern durch langsame Steigerungen der Eskalationsstufen. Denn es ist relativ schnell klar, wo die Täter zu finden sind. Die verdächtigen Rumänen arbeiten mit handfesten Einschüchterungsversuchen, aber die Konfrontation mit der gestandenen Stationsleiterin Gisela Wegmeyer birgt einige Überraschungen für die Unterweltler. Die Polizistin ist gemeinsam mit ihrem Team fest entschlossen, das verschwiegene und von der Angst der dort geknechteten Frauen bestimmte Rotlichtmilieu im Nachbardorf auszuräuchern.

Angesichts der Mauer aus Angst und Schweigen müssen die Dorfpolizisten allerdings zu ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden greifen, die wiederum zu höchst amüsanten menschlichen Verwicklungen führen. Dem Profi aus Straubing zieht es dabei fast die Schuhe aus, aber vom möglichen Ermittlungserfolg lässt er sich dann doch mitreißen. Es bleibt ihm auch nichts anderes übrig, denn Wegmeyer hat sich derart in den Fall verbissen, dass sie nicht wieder locker lassen will. Zumal ihr dementer Vater durch eine Konfrontation mit den Rumänen in die Angelegenheit verwickelt wird, und eine Gefährdung ihres persönlichen Umfeldes wird die resolute Polizistin keinesfalls zulassen. Die lebenskluge Hauptperson des Romans sammelt bei einigen Gelegenheiten reichlich Sympathiepunkte beim Leser, und dürfte beträchtliches Potenzial für weitere Romane bieten.

So schlägt sie resolut dazwischen, wenn ihre Mitarbeiter mal wieder kindsköpfig miteinander streiten, oder sich in Nebendingen verlieren. Und auch die schwierige Stimmung im Dorf behält Wegmeyer stets im Auge, um sie im entscheidenden Moment zielführend zu kanalisieren. Da scheut sie auch vor einem Pistolenschuss in die Decke der Dorfkneipe nicht zurück, um die Entstehung eines Lynchmobs zu verhindern – einfach grandios erzählt.

Christian Limmer hat mit Unter aller Sau einen Kriminalroman vorgelegt, der vortrefflich unterhält, eine gute und spannende Geschichte bietet, und bei aller Übertreibung letztlich durchaus glaubhaft wirkt. Einige Szenen sind zwar reichlich überzogen, werden aber "augenzwinkernd" wieder eingeordnet. So nimmt die Bürgerwehr des Dorfes zwei Rumänen im Wald fest und ist dabei, sie im Keller des Fleischermeisters zu foltern, wird aber wiederum durch Gisela Wegmeyer gestoppt. Ob das ernst zu nehmen ist? Ich war noch nie in der niederbayrischen Provinz – aber vorstellen kann ich mir ziemlich viel.

Und auch wenn das alles dem Reich der Fantasie des Autors entspringt – seinen Roman hat er hervorragend aufgebaut, flüssig erzählt und das Abgleiten ins allzu humoristische vermieden. Da ist die eine oder andere Übertreibung kein Problem, zumal die Handlung dadurch immer wieder dynamisch vorangetrieben wird. Insgesamt also ein vortreffliches Lesevergnügen.

Unter aller Sau

Christian Limmer, Droemer

Unter aller Sau

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