Die Beute

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • North Sydney: Bantam, 2011, Titel: 'Beyond fear', Seiten: 425, Originalsprache
  • München: Blanvalet, 2013, Seiten: 450, Übersetzt: Christiane Winkler
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Matthias Kühn
25°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2013

Heftchen-Dramatik aus dem Baukasten

Vier Frauen fahren gemeinsam über ein Wochenende weg, wie sie das jedes Jahr einmal machen. Jodie, Hannah, Louise und Corinne freuen sich auf das Wochenende in einem erst neulich renovierten Haus, das Jodie ausgesucht hat. Doch schon im zweiten Absatz wird’s unheilschwanger:

 

"Nebel schwebte über den Büschen am Straßenrand, die Scheinwerfer schlugen eine geisterhafte Schneise in die Dunkelheit. Wie ein Tunnel, der sie sicher durch die Nacht führte.
Oder direkt in die Hölle.

 

Bitte? Was? Soll einem da schon das Blut in den Adern gerinnen? Okay, es passiert erst mal gar nichts; aber wir wissen spätestens jetzt: Hier wird einiges passieren. Vorerst futtern die Frauen im Auto (was sonst) Schokolade und machen sich über ihre Männer lustig, die jetzt die Krampen am Hals haben. Passend dazu hält Corinne plötzlich eine Flasche (was sonst) Champagner in der Hand; auch an Plastikchampagnerkelche hat sie gedacht – für den Notfall.

 

"Was für einen Notfall denn?", frage Jodie.
"Ich würde mal sagen, kein Alkohol um Viertel nach sechs von an Tag eins ist definitiv ein Notfall."
Jodie lachte, doch in der nächsten Kurve blieb ihr das Lachen im Hals stecken.

 

 

Da kommt nämlich ein Wagen "mit leuchtenden Scheinwerfern" auf sie zu; natürlich mit leuchtenden Scheinwerfern, schließlich ist’s ja dunkel – Jodie weicht jedenfalls dem Wagen aus und rammt einen Leitpfosten. Dann erstirbt der Motor, die Kiste fährt nicht mehr. Den Frauen ist nicht groß was passiert, Jodie schmerzt etwas die "Brust an der Stelle, wo der Sicherheitsgurt sie in den Sitz gedrückt hatte." Abgesehen davon, dass sie an den Gurt, nicht aber in den Sitzt gedrückt wurde, sind auch noch die Gläser kaputt. Richtig: die Gläser.

Die Frauen, die sich nicht gebärden wie Mütter mit Kindern, sondern wie naive Highschoolmädchen auf dem Abschlussball, stehen im Dunkeln. In der Dunkelheit. In der Finsternis. Die Autorin schlägt jetzt mit dermaßen vielen überflüssigen Vokabeln um sich, um deutlich zu machen: Leute, es ist richtig dunkel! Der Himmel ist mondlos, der Windstoß eisig, der Ort einsam und dunkel, im Schein der Handys erscheint ein Gesicht wie ein "blau beleuchteter Totenkopf" – ganz so dunkel ist es dann also doch nicht. Und schließlich haben die Damen sogar eine Taschenlampe dabei! Aber sie sparen lieber die Batterie, wer weiß, was noch kommt. Die Frage lautet da schon eher: Wer will das wissen?

Zwei der Frauen fahren mit dem bestellten Abschleppwagen in den Ort, an dem sie die Schlüssel fürs Haus kriegen, zwei bleiben zurück in der – natürlich: Dunkelheit. Die beiden warten aufs Taxi, es passiert nichts, aber sie zittern vor Angst, die Dunkelheit, ja, die gute alte Dunkelheit "kriecht den Rücken hinauf", es ist wieder mal gespenstisch. Die nächste Frage: Welches Vokabular benutzt die Autorin denn bitte, wenn’s wirklich ernst wird? Richtig: Ein und dasselbe.

Der Rest ist schnell erzählt; in schlechter Stimmung erreichen die angeblichen Freundinnen den Ort, versammeln sich in einer Kneipe und ziehen schließlich ins angemietete Haus. Corinne verstaucht sich den Knöchel, Jodie fühlt sich verfolgt. Louise ist in Jodies Geheimnis eingeweiht: Als Jugendliche wurde sie fast vergewaltigt, eine Freundin aber ermordet. Durch viele Therapien lernte sie schließlich, mit dem Erlebten umzugehen. Aber Louise plaudert das Geheimnis aus, um zu verdeutlichen: Jodie ist nur hysterisch.

Ergebnis: Niemand glaubt ihr. Und so geraten die Frauen in Lebensgefahr, denn sie werden ja wirklich von zwei Männern beobachtet und verfolgt. Übrigens hat auch Ex-Cop Matt, der gleich anfangs den Wagen abschleppt und sich in Jodie verguckt, seine Leichen im Keller.

Das aufgesetzte Gehabe mit trivialen Pseudo-Dramatisierungen und abgedroschenen Erzählplattitüden zieht sich durch den gesamten Thriller. Diese Frauen sind dabei manchmal derart begriffsstutzig, dass der Anfangsverdacht ständig bestätigt wird: Die Charaktere sind weniger ausgefeilt als die Figuren in einer Sitcom auf RTL2; die Autorin scheint nicht sonderlich interessiert an ihrem Personal zu sein. Und am Ende traut sie sich nicht einmal, richtig hinzulangen. Sie hat sowieso schon auf den ersten Seiten alles an Dramatisierung verpulvert, sodass sicher kaum noch jemand darauf hereinfallen würde; aber versuchen hätte sie es wenigstens noch können.

So reiht Jayne Ford ein Versatzstück der Heftchenkunst ans andere. Gegen Ende liest sich das so:

 

Sie dachte daran, wie sie ihn verletzt hatte. Bei der Erinnerung musste sie lächeln. Sie hatte schreckliche Angst da unten gehabt, doch die hatte sie auch schon verspürt, als sie heute Nachmittag durch die Tür gekommen war. Während sie Travis zusah, wurde ihr klar, dass sie jetzt keine Angst mehr hatte. [...] Sie würde nie wieder ihre wunderbaren Kinder sehen. Und sie konnte nichts dagegen tun. Doch sie verspürte keine Angst.

 

Wieso hat sie jetzt plötzlich keine Angst mehr? Das ist eine fixe Idee der Autorin, keine emotional oder psychologisch motivierte Regung. Zumal es schon weinige Seiten später wieder heißt:

 

"Und das machte ihr verdammt Angst."

 

Das ist aufgesetzt. Und so ist das bei praktisch jedem Absatz des Buches. Nein, dieses Buch um vier Freundinnen, die streng genommen schon vor diesem Wochenende niemals miteinander hätten befreundet sein dürfen, ist für alle, die eine gute Geschichte gut erzählt haben möchten, nur Zeitverschwendung.

Die Beute

Jaye Ford, Blanvalet

Die Beute

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