Betibú

  • Unionsverlag
  • Erschienen: Januar 2013
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  • Buenes Aires: Alfaguara, 2011, Titel: 'Betibú', Originalsprache
  • Zürich: Unionsverlag, 2013, Seiten: 352, Übersetzt: Peter Kultzen
Betibú
Betibú
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Jörg Kijanski
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2013

Der Mörder ist der, der am Ende übrig bleibt

In der schwer bewachten Wohnsiedlung "La Maravillosa" wird der ebenso einflussreiche wie umstrittene Unternehmer Pedro Chazarreta mit aufgeschlitzter Kehle in seiner Wohnung aufgefunden. Doch obwohl der Tote die Tatwaffe in seiner Hand hält kann ein Selbstmord schnell ausgeschlossen werden. Erinnerungen werden wach: Ziemlich genau vor drei Jahren wurde Gloria Echague, die Ehefrau Chazarretas, an nahezu der gleichen Stelle ebenfalls mit durchgeschnittener Kehle entdeckt. Damals war für die meisten Menschen klar, dass der Unternehmer beim Ableben seiner Frau selbst die Hände im Spiel hatte. Mangels Beweisen wurden die Ermittlungen aber schnell eingestellt und so scheint nun irgendein unbekannter Dritter der Gerechtigkeit nachgeholfen zu haben.

Die auflagenstarke Tageszeitung "El Tribuno" wittert jedenfalls eine große Story und schickt die Schriftstellerin Nurit Iscar nach "La Maravillosa", um dort zu recherchieren und tägliche Berichte zu schreiben. Den eigentlichen Kriminalfall soll derweil in der Redaktion ein noch unerfahrener Kollege schreiben, der von Polizeireportagen jedoch keinerlei Ahnung hat. Diese hat der alte Haudegen Jaime Brena mehr als genug, doch dieser wurde vom Zeitungschef persönlich aufs Abstellgleis geschoben. Aber das alte Feuer brennt noch und so nimmt Brena seinen jungen Kollegen kurzerhand als dessen Mentor unter seine Fittiche. Gemeinsam mit Nurit Iscar kommen sie einem großen Rachefeldzug auf die Spur, bei dem nicht immer klar ist, wer Opfer und wer Täter ist …

Claudia Pineiro feierte in ihrem Heimatland Argentinien bereits mehrere Erfolge und überzeugt in ihrem neuen Roman Betibú (Cosename für die Comicfigur Betty Boop) durch eine große erzählerische Kraft. Dabei legt sie viel (Zeit und) Wert auf die ausführliche Darstellung ihrer Figuren, vor allem denen der drei Protagonisten. Nurit, 54 Jahre alt, einst hochgelobte Spannungsautorin, hat nach einem privaten Liebesabenteuer, welches in einem mittleren Desaster endete, hierüber ein Buch geschrieben. Die Kritik ließ das Buch gnadenlos durchfallen; seitdem schreibt sie inkognito als Ghostwriterin. Die Gelegenheit über den Mord an Chazarreta zu schreiben gibt ihr vielleicht die Chance, ihre alten Fans zurückzugewinnen. Dabei wird sie von ihren engsten Freundinnen Paula und Carmen unterstützt, die in zahl- und umfangreichen Gesprächen noch viele weitere Tipps für Nurit haben. Diese betreffen nicht selten auch Aktivitäten unterhalb der Gürtellinie, an denen es allerdings bei allen Damen in der Praxis mangelt.

Brena und der namenlose "Junge aus der Redaktion" verkörpern derweil die beiden Prototypen des Journalismus. Brena, ganz alte Schule, sucht und findet seine Informationen auf der Straße, während sein Kollege ohne die elektronische Welt des Internets völlig aufgeschmissen ist. Wer sich für die Arbeitsweise und -welt des Journalismus interessiert, erhält hier informative Einblicke auch hinsichtlich deren beruflich-ethischer Fragen. Was darf man schreiben und wo sind dem Journalismus (aber auch sich selbst) Grenzen gesetzt?

 

"Du hörst dich ein bisschen um, siehst, was es zu sehen gibt, denkst über alles nach, und den Rest erfindest du und fängst an zu schreiben. Mir geht es nicht um die Wahrheit. Mir geht es darum, die Leser zu ködern.

 

Dazu gibt es hier und da gezielte Seitenhiebe auf Teile der Gesellschaft, exemplarisch dargestellt an den Bewohnern der eingangs erwähnten Wohnanlage. Trotz wahnhaft-grotesk anmutender Sicherheitsvorkehrungen erhält ausgerechnet in dieser Umgebung das Kapitalverbrechen frohen Einzug. Doch wie konnte der Mörder überhaupt in die streng bewachte Anlage gelangen? Und warum ermittelt die Polizei so gut wie gar nicht?

 

"Alles was wir wissen, ist, dass vor einiger Zeit in Chazarretas Haus ein Foto geklaut worden ist, und das habe ich Kommissar Venturini schon erzählt, und es hat ihn einen Scheißdreck interessiert. Ich glaube jedenfalls nicht, dass er jetzt schon erfahren muss, dass drei der Personen, die auf dem Foto zu sehen waren, inzwischen tot sind, und dass zwei von ihnen bei Unfällen ums Leben gekommen sind, ob es nun Zufall war oder nicht."

 

Im ersten Drittel des Romans entwickelt sich der Spannungsbogen recht behäbig, zieht danach aber immer stärker an. Langsam und zum Teil recht unspektakulär nähern sich die Figuren der Lösung des Falles. Für Krimipuristen denkbar ungeeignet, für alle anderen Leserinnen und Leser durchaus großes Kino.

Betibú

Claudia Piñeiro, Unionsverlag

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