Die da kommen

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2013
  • 3
  • New York: Bloomsbury, 2012, Titel: 'The uninvited', Seiten: 304, Originalsprache
  • München: dtv, 2013, Seiten: 320, Übersetzt: Susanne Goga-Klinkenberg
Wertung wird geladen
Marcel Feige
84°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2012

Zurück zum Anfang

Titelbild und Klappentext lassen es vermuten: Die da kommen ist kein leichtbekömmlicher Thriller. Grund dafür sind allerdings weder bluttriefende Gemetzel noch schleimige Gedärme, von denen Liz Jensen überraschenderweise so gut wie keine bietet. Stattdessen arbeitet sie sich in ihrem inzwischen zweiten Roman an wichtigen anthropologischen Fragen ab – und damit nicht zuletzt an der Geschichte der Menschheit.

 

Die menschliche Geschichte ist ein Schwerlaster. Wenn sie die Richtung ändern soll, muss sie zuerst zum Stillstand kommen.

 

Hesketh Lock ist eine Art »Troubleshooter«, ein »Spezialist für interkulturelle Angelegenheiten, der Sabotagemuster von Indoniesen bis Island analysiert«. Er befindet sich auf dem Weg nach Taiwan, wo er für ein globales Unternehmen den Sabotageakt eines Angestellten untersucht.

Nur beiläufig erfährt er aus den Fernsehnachrichten, wie in Großbritannien ein siebenjähriges Mädchen mit einem Black & Decker-Druckluftnagler drei Stahlnägel in den Hals seiner Großmutter pumpt. Ein tragischer Unfall, wie es scheint, dem auch Hesketh nur wenig Beachtung schenkt.

Dann aber häufen sich nicht nur die Vorfälle, bei denen Kinder weltweit auf Erwachsene losgehen, auch die Sabotageakte nehmen zu. Seltsamerweise erklären die Saboteure, kurz bevor sie sich das Leben nehmen, von Kindern zu ihren Taten angetrieben worden zu sein.

Mord und Sabotage breiten sich in Windeseile aus – und keiner kann etwas dagegen unternehmen.

 

Fabriken stehen still. Der öffentliche Verkehr ist zum Erliegen gekommen. Überall herrscht Alarmstufe rot. Die Importe brechen ein, die Exporte, alles, was von der Weltwirtschaft übrig geblieben ist. Der Kapitalismus kollabiert.

 

Anfangs werden noch die üblichen Verdächtigen herangezogen: Terroristen. Seuchen. Sogar Aliens.

Es ist Hesketh, der schließlich die Wahrheit begreift, doch da ist es bereits zu spät: Es sind die Kinder, die gegen die Erwachsenen rebellieren, die so genannte Zivilisation ausbremsen, den Fortschritt umkehren, den die Menscheit seit der industriellen Revolution erzielt hat.

 

Wer auf einem begrenzten Planeten an grenzenloses Wachstum glaubt, ist entweder verrückt – oder Ökonom.

 

Die Moral der Geschichte könnte also aktueller nicht sein. Leichter wird die Lektüre dadurch trotzdem nicht. Nicht nur wegen der Themen, die Liz Jensen in Die da kommen anschneidet.

Erschwerend kommt die Erzählerstimme hinzu, die von Hesketh Lock. Der ist nämlich nicht nur intelligent, er leidet auch unter dem Asperger-Syndrom. Sein soziales Gebahren ist wundersam und emotionslos, was ihn einerseits in den gefährlichsten Situationen einen kühlen Kopf behalten lässt. Andererseits hält er auf diese Weise auch den Leser über den ganzen Roman hinweg auf Distanz. Als Identifikationsfigur taugt Hesketh deshalb nur bedingt – und nimmt obendrein auch der von Liz Jensen in ihrer ganzen Konsequenz gezeichneten Apokalypse den Schrecken.

 

Die Geschichte der Kinder ist die Geschichte vom Ende der Menscheit auf Erden.

 

Die da kommen

Liz Jensen, dtv

Die da kommen

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Die da kommen«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren