Blick in die Angst

  • Argon
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • Berlin: Argon, 2013, Übersetzt: Laura Maire
Blick in die Angst
Blick in die Angst
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Marcel Feige
25°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2012

Eine Pappschachtel voller Klischees

"Oops, she did it again", titelte die Krimi-Couch, als sie im Sommer 2011 Chevy Stevens' zweiten Thriller Never Knowing – Endlose Angst unter die Lupe nahm: ein grausamer, trotzdem fesselnder Roman, dessen Schrecken abermals auf psychologischer Ebene funktionierte.

Denn wie in Stevens Debüt Still Missing – Kein Entkommen erfuhr der Leser auch in Never Knowing die Geschichte aus einer Vielzahl von Sitzungen mit der Therapeutin Dr. Nadine Lavoie, eine stumme »Beisitzerin« der Monologe der Protagonistin. Das war freilich nicht sonderlich einfallsreich (und offenbarte an manchen Stellen bereits erste Abnutzungserscheinungen), enthüllte aber immer noch über weite Teile hinweg ergreifend das schmerzhafte Seelenleid der Heldin.

Mit Blick in die Angst rückt Chevy Stevens nun ihre Therapeutin Lavoie in den Mittelpunkt der Geschichte. Diesmal ist es Lavoie selbst, die erzählt - und zwar dem Leser von dem versuchten Selbstmord der jungen Heather. Diese hat obendrein Angst vor mysteriösen Verfolgern. Ist sie paranoid? Mitnichten, wie Lavoie recht bald herausfindet. Heather war Mitglied der River of Life-Sekte, die seit vielen Jahrzehnten von dem charismatischen Aaron Quinn angeführt wird.

Eine Sekte, der einst auch Lavoie und ihre Eltern angehörten.

Der Leser ahnt es schon: Es geht bei der Sekte nicht mit rechten Dingen zu. Noch viel schlimmer: Lavoie selbst schleppt seit ihrer Zeit an der Seite von Aaron Quinn ein verdrängtes Trauma mit sich herum, das ausgerechnet jetzt mit aller Macht zurück in ihr Bewusstsein schwappt.

Ja, ja, auch diese Idee ist nicht wirklich neu: Die des Psychologen, der sich selbst sein größter Patient ist. Und auch die böse Sekte mit ihrem noch schlimmeren Anführer klingt nicht unbedingt nach einem revolutionär neuen Plot. Aber Chevy Stevens hat mit ihren beiden Erstlingen bewiesen, dass sie Spannung erzeugen kann, indem sie raffinierte Wendungen temporeich in Szene setzt.

Bei Blick in die Angst hat sie es allerdings versäumt.

Nervenaufreibend ist in ihrem neuen Thriller rein gar nichts, allenfalls die quälende Langsamkeit, mit der die Autorin die Entstehung der Sekte und den Wandel ihres Anführers Aaron Quinn aufarbeitet – ohne dass ansonsten etwas Nennenswertes geschieht, das die eigentliche, mit dem Suizidversuch Heathers eingeführte Thrillerhandlung vorantreibt.

Als diese dann endlich doch noch Fahrt aufnimmt, hat man als Leser bereits mehr als 200 Seiten hinter sich gebracht (die obendrein nur so vor Pappfiguren und noch mehr Klischees strotzen) – und deshalb jegliches Interesse an den verbleibenden 200 Seiten verloren.

Wer’s trotzdem weiter wagt, erlebt folgerichtig auch keine Überraschung mehr: Alles kommt, wie es kommen muss – oder wie jeder x-beliebige Stammtisch sich eine böse, böse Sekte halt so vorstellt. Argh!

Nein, diesmal hat Chevy Stevens es nicht noch einmal gemacht. Aber leider auch nicht besser.

Blick in die Angst

Chevy Stevens, Argon

Blick in die Angst

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