Tower

  • Rotbuch
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • Houston: Busted Flush Press, 2009, Titel: 'Tower', Originalsprache
  • Berlin: Rotbuch, 2012, Seiten: 212, Übersetzt: Richard Betzenbichler
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Jochen König
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2012

History offers no escape

Nach diversen Büchern mit Jason Starr hat Ken Bruen jetzt einen neuen Partner in Crime: Reed Farrell Coleman. Coleman hat bereits mehr als ein Dutzend Kriminalromane verfasst, von denen allerdings bloß Walking The Perfect Square (Spur ins Gestern) ins Deutsche übersetzt wurde.

Zwei erfahrene Autoren also, die die Geschichte der beiden Freunde Nick und Todd erzählen. Tower ist in zwei Parts aufgeteilt – plus Pro- und Epilog -, die jeweils Nicks und Todds Story erzählen. Anders als in den mit Jason Starr geschriebenen Büchern gibt es eine klare Aufteilung. Nicks Sicht der Dinge wird von Ken Bruen erzählt, Todds Part übernimmt dementsprechend Reed Farrel Coleman.

Tower ist ein Roman über Freundschaft, überbordende Gefühle, Liebe und Rache, kurze Zeit vor dem Terroranschlag am elften September 2001 spielend, dem der Roman seinen Titel verdankt.

Nick und Todd wachsen zusammen in New York auf, werden gemeinsam kriminell und sind überhaupt die besten Freunde. Ihre Herkunft und ihr kriminelles Potenzial treibt sie geradezu in die Organisation des bibeltreuen, irischen Gangsterbosses Boyle und seiner rechten Hand Griffin. Sie haben das Ding zur großen Nummer, glauben die Beiden zumindest, und so schlucken sie Boyles Bigotterie, Griffins Grausamkeiten, verrichten Handlangerdienste und lassen sich demütigen. Wartend auf den richtigen Zeitpunkt …

… der anders kommt als geplant. Nach dem Selbstmord von Todds Mutter wird dieser von der Polizei requiriert und in Philadelphia auf eine Karriere als Undercover-Cop vorbereitet, während Nick weiter für Boyle arbeitet und auf seine Chance lauert. Die bekommt er, kurze Zeit nach Todds scheinbarer Rückkehr in den Schoß der irischen Familie. Ein ganz einfacher Auftrag: Er soll Todd töten, der enttarnt wurde. Er versucht sich zwar zu drücken, doch kann er die Entscheidung nicht ewig hinauszögern. Und so fällt er eine …

Im Klappentext wird Tower als eine "Mischung aus Martin Scorseses Departed und Quentin Tarantinos Pulp Fiction" beschrieben. Ganz verkehrt ist das nicht, wobei der Roman nicht so geschwätzig daherkommt wie Tarantinos Film(e). Scorsese liegt näher, was das Umfeld angeht, doch fehlt beiden Filmen der Faktor Freundschaft (und Liebe), der für die Entwicklung der Handlung von Bruen/Farells Roman unabdingbar ist.

Dass die beiden Erzählstränge von verschiedenen Autoren geschrieben wurden, tut dem Roman gut. Denn allzu sehr divergieren die beiden Protagonisten wesensmäßig nicht. Ist auch naheliegend bei gleichartiger Sozialisation und gegenseitiger Einflussnahme. Todd macht zwar eine raumgreifende "Wut" bei Nick aus, geht selbst aber sehr viel konsequenter zu Werke, wenn es um die Beseitigung von Widersachern geht.

Bruens Part ist elegischer geschrieben, gibt dem irischen Hintergrund (logischerweise?) mehr Raum. Nicks Kampf um Anerkennung, Aufstieg und letztlich ums Überleben ist eine langsame Steigerung bis zum gewaltbrodelnden Climax, der bereits im Prolog vorweggenommen wird. Todds Story ist ein beständiges Taumeln am Abgrund, ein ewiger Kampf, der keine Entwicklung zum Höhepunkt erkennen lässt, sondern ein wellenförmiges Auf und Ab von gehöriger Brutalität durchzogen. Freundschaft, Liebe, Hass und Rache – während Nick wenigstens gelegentlich Ruhe findet bei seiner Geliebten Shannon und ihrem behinderten Sohn, wird Todd zum Spielball fremder Mächte, die ihm keine Auszeit gönnen. Wenn er nicht gerade selbst die gewalttätige Initiative ergreift.

Obwohl die Türme des World Trade Center immer wieder im Hintergrund der Geschichte erscheinen (so ist Nicks desillusionierter Vater als Wachmann im Nordturm angestellt), bekommen sie erst im Epilog ausschlaggebende Bedeutung. Mit einem Schlag wird alles Private zur Marginalie, die Welt- und Zeigeschichte macht keine Unterschiede zwischen Tätern und Opfern. Bruen und Farell liefern einmal mehr den Beleg dafür, dass niemand in Ruhe leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn – so fern er auch wohnen mag - nicht gefällt. Von Zwangsläufigkeit, dem unvermeidlichen Sog in den explosiven Malstrom kann allerdings nicht die Rede sein. Der Zufall regiert bei dieser Geschichte zweier Türme. Aus deren Asche etwas Neues entsteht. Doch davon wissen Nick und Todd nichts.

Tower

Ken Bruen, Rotbuch

Tower

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