Pendelverkehr

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2010
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  • München; Zürich: Piper, 2010, Seiten: 280, Originalsprache
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Andreas Kurth
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2012

Skurrile Morde in der Schnee-Eifel

Katja Klein hat momentan ganz andere Dinge im Kopf, als Verbrecher zu jagen. Sie will endlich ihr neues Restaurant an der Bundesstraße 265, genau an der Grenze zwischen Belgien und Deutschland, eröffnen. Da kommt es der Neu-Eifelerin nicht gerade recht, dass plötzlich ihr Ex-Lover mit Enkelkind auf dem Arm in ihrem Haus aufschlägt, und es dann auch noch ungeklärte Todesfälle in ihrem persönlichen Umfeld gibt. Es beginnt mit Agnes, der betagten Mutter von Katjas schwulem Bekannten.  Wie zum Kirchgang angezogen liegt sie säuberlich aufgebahrt unter einer riesigen Eibe, als Katja mit ihrem Hund Linus durch den Wald stolpert. Es soll wohl wie ein natürlicher Tod aussehen, aber Katja und vor allem ihr belgischer Freund Marcel haben mehr als ernsthafte Zweifel daran, der Inspektor aus dem Nachbarland sorgt dafür, dass die Leiche obduziert wird. In Kehr und Umgebung hat sich nicht nur Katjas Ex eingefunden, sondern auch dessen Ehefrau und schließlich ein Privatdetektiv aus der Hauptstadt. Und der Berliner Schnüffler ist dann auch die nächste Leiche im deutsch-belgischen Grenzgebiet. Katjas kriminalistische Talente sind wieder gefordert -  aber bis zur Lösung der verschiedenen Rätsel müssen die ehemalige Modejournalistin und ihr belgischer Lieblingsermittler noch einige Krisen durchstehen.

Auch im neuen Roman um die übergewichtige Ex-Journalistin aus der deutschen Hauptstadt, die sich in der Schnee-Eifel ganz neu definieren möchte, geht es privat und kriminalistisch recht turbulent zu. Dafür sorgt schon das Personal-Tableau von Martina Kempff.  Neben der zwischen Zweifeln und Selbstbewusstsein schwankenden Protagonistin dominiert vor allem der belgische Inspektor Marcel, der immer mehr in die Rolle des Lebensgefährten von Katja Klein hinein schlüpft. Witzig und abwechslungsreich ist dabei vor allem, wie der Belgier es immer wieder schafft, die Vorschriften zu umgehen und in Deutschland illegal zu ermitteln. Und dann ist da noch Katjas liebestolle Kellnerin, ihr schwuler Geschäftspartner mit seinem lebensklugen Partner, und eine undurchsichtige Esoterik-Sekte.

Die von Martina Kempff flüssig und unterhaltsam erzählte Geschichte lebt stark von den handelnden Personen, die plastisch und nachvollziehbar dargestellt werden. Hier und da hätte die Autorin allerdings die Hintergründe einzelner Handlungsschritte etwas stärker ausfeilen dürfen. So wäre die Esoterik-Sekte ein schönes Rand-Thema gewesen, und auch über die Befindlichkeiten im Grenzgebiet hätte man gerne mehr erfahren. Dennoch vermittelt die Autorin weitaus mehr Lokalkolorit als so mancher Kriminal-Roman, auf dem auch "Eifel-Krimi" als Qualitätssiegel drauf steht.

Die Region an sich hat neben bewegter Geschichte auch landschaftlich einiges zu bieten. Warum deshalb hier mehr in Romanen gemordet wird, als in manchen deutschen Großstädten, das wäre noch mal ein Dissertationsthema für einen Literaturwissenschaftler. Mir hat sich das noch nicht erschlossen, aber Kempffs Roman ist dort gut angesiedelt. Das Buch muss schließlich an einer Grenze spielen, sonst könnte manche Nuance so nicht enthalten sein.  Da sich viele Autoren – zumindest zeitweise – in den westlichsten Winkel Deutschlands zurückziehen, wirkt das auch für eine frühere Mode-Journalistin aus der deutschen Hauptstadt glaubwürdig und authentisch. Katja Klein ist dabei eine Figur, die durch ihre persönlichen Zweifel und ihre Sprunghaftigkeit einige Pluspunkte sammelt. Sie wirkt recht bodenständig, trotz ihrer Herkunft aus der hektischen Hauptstadt, aber sie hat offenbar den Wechsel in die Schnee-Eifel mental und in Bezug auf ihr Umfeld gut verkraftet.

Martina Kempff baut einen guten Spannungsbogen auf, bei der Schilderung der persönlichen Befindlichkeiten ihrer Protagonisten schweift sie zwar gerne mal von der eigentlichen Kriminalgeschichte ab, aber das hat durchaus annehmbaren Unterhaltungswert. Insgesamt also ein eher leichter und lockerer Kriminalroman, gute Lektüre für ein verregnetes Wochenende.

Pendelverkehr

Martina Kempff, Piper

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