Der Wolf

  • Argon
  • Erschienen: Januar 2012
  • 25
  • München: Droemer, 2014, Seiten: 508
  • Berlin: Argon, 2012, Seiten: 6, Übersetzt: Simon Jäger
Der Wolf
Der Wolf
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Andreas Kurth
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2012

Wenn Märchen umgeschrieben werden

Der böse Wolf ist ein mittelmäßiger Schriftsteller, der seine besten Jahre schon lange hinter sich hat. Was niemand ahnt: Für seine vier Kriminalromane hat er selbst getötet. Nach 15-jähriger Pause will er nun ein letztes Mal aktiv werden, um eine Art von Meisterwerk zu schaffen. Drei Frauen die er rote Eins, rote Zwei und rote Drei nennt sollen sterben. Er will Zeitpunkt und Todesart für seine Opfer bestimmen. Die drei Frauen kennen sich nicht, und außer ihrer roten Haarfarbe gibt es im Grunde nichts, was sie miteinander in Zusammenhang bringt. Dr. Karen Jayson ist eine 51-jährige Ärztin, Sarah Locksley eine Witwe Mitte 30, und Jordan Ellis ein 17-jähriges College-Girl mit verkorkstem Elternhaus. Der böse Wolf will das Trio umbringen, und diese Taten dann wie schon früher praktiziert in einem Roman beschreiben. Mit der erhofften spektakulären Veröffentlichung will er endlich wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erringen. In Briefen schreibt er den drei Frauen, dass sie ausgewählt wurden, um von seiner Hand zu sterben. Die Drei sind zunächst verzweifelt aber dann doch nicht gewillt, sich so einfach zur Schlachtbank führen zu lassen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Der neue Thriller von John Katzenbach hat mich ungemein gefesselt und fasziniert. Und dabei wird zunächst niemand umgebracht, sondern es steht nur die ziemlich überzeugende Drohung des irren Schriftstellers im Raum. Aber gerade damit packt der Autor seine Leser, denn es geht um die Reaktionen der höchst unterschiedlichen Frauen auf die immer neuen Schachzüge des bösen Wolfs und beides hat es wirklich in sich. John Katzenbach versteht es hervorragend, flüssig und gut lesbar eine Geschichte zu erzählen. Und wie gewohnt baut er dabei stufenweise immer mehr Spannung auf. Der Autor beschreibt zunächst die Lebensumstände des potenziellen Killers und seiner drei möglichen Opfer. Die "drei Roten" reagieren erwartungsgemäß höchst unterschiedlich auf die Morddrohung, aber alle drei Frauen werden in ihrem Verhalten von ihrer Angst dominiert.

Katzenbach beschreibt einfühlsam und nachvollziehbar, wie sich der komplette Alltag der potenziellen Mordopfer durch die latente Bedrohung verändert. Vor allem die Ungewissheit, wann der Mörder zuschlagen könnte, löst phasenweise tiefe Verzweiflung aus. Jeder Schatten wird plötzlich bedrohlich. Die eigene Wohnung, sonst ein sicheres Refugium, ist mit einem Schlag höchst unsicher. Verschärft wird die Lage noch zusätzlich, als alle drei Frauen den Link zu einem YouTube-Video bekommen, das der böse Wolf aufgenommen und ins Netz gestellt hat jetzt wird ihnen absolut deutlich, wie nahe ihnen der Killer bereits ist.

Und diese permanente Angst der Frauen turnt den bösen Wolf so richtig an, sie ist neben dem Ehrgeiz, ein neues Buch zu schreiben, seine eigentliche Antriebsfeder. Er will Macht über seine Opfer ausüben, ohne dass sie etwas dagegen tun können. Bei der Beschreibung dieser Psycho-Spielchen ist John Katzenbach zuweilen etwas weitschweifig, aber Tempo und Spannung ziehen immer wieder rechtzeitig an. Und vor allem wird man als Leser durch immer neue Zwischenfälle und Wendungen überrascht.

Nachdem sich die drei Frauen gesucht und gefunden haben, um eine gemeinsame Strategie gegen die Mordpläne zu entwickeln, wird der Roman derart fesselnd, dass man ihn kaum noch aus der Hand legen möchte. Als Leser fiebert man mit und fragt sich, welche Lösung es für die verzweifelte Lage der "drei Roten" geben könnte. Vom Ende wird man ziemlich überrascht jedenfalls ist es mir so gegangen. Ein Hinweis für Katzenbach-Fans und Kenner: Die Red Sox bringt er auch in diesem Buch unauffällig und gekonnt unter.

Der Wolf

John Katzenbach, Argon

Der Wolf

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