Das Kabul-Komplott

  • Rütten & Loening
  • Erschienen: Januar 2012
  • 3
  • Paris: R. Laffont, 2011, Titel: 'L´homme de Kaboul', Seiten: 397, Originalsprache
  • Berlin: Rütten & Loening, 2012, Seiten: 448, Übersetzt: Olaf Matthias Roth
Das Kabul-Komplott
Das Kabul-Komplott
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Thomas Kürten
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2012

Auch am Hindukusch gelten Gesetze

Ein Komplott in Kabul… Afghanistan – jahrzehntelanger Bürgerkrieg – Selbstmordanschläge – frauenverachtendes Gesellschaftssystem - Taliban und Al Qaida. Solche Gedanken schossen mir durch den Kopf, als ich den Romantitel zum ersten mal auf den Verlagslisten sah. Und zugegeben, meine Lust, einen Thriller zu lesen, der in diesem Winkel der Welt spielt, war nicht gerade überwältigend. Wenn es dann noch auf dem Klappentext heißt "Salam Alaikum – Kommissar Kandar ermittelt", kann das auch nicht gerade als Meisterwerk eines Marketingstrategen gesehen werden, droht eine derart blutleere Floskel doch immer ein Werk von herausragender Belanglosigkeit zu beschreiben.

Doch schauen wir uns mal genauer an, wer da etwas über die Arbeit eines afghanischen Kommissars geschrieben hat. Es ist ein Franzose, Cedric Bannel, Jahrgang 1966, der sich daran wagt, den Alltag in Kabul einzufangen. Als ehemaliger Mitarbeiter im diplomatischen Auslandsdienst Frankreichs verfügt er sicherlich über Quellen, die ihm ein gutes Bild über die Lebenssituation, Spannungen sowie religiöse, ethnische und soziale Konflikte des heutigen Afghanistans informieren können. Aber reicht das schon, um auch noch einen guten Thriller schreiben zu können? Zumindest ist es nicht der erste Versuch des Franzosen, sich als Thrillerautor zu etablieren. Zuletzt veröffentlichte er 2004 den Thriller Elixir den es auch in einer von der Kritik wenig beachteten deutschen Übersetzung gab.

Und jetzt dieses Wagnis, eine Figur zu schaffen, die in einem vom Chaos regierten Land der verlängerte Arm des Gesetzes sein soll. Ein Land, aus dem uns immer wieder Nachrichten über Verbrechen erreichen, die an mittelalterliche Foltermethoden erinnern. Ein Land, in dem die Polizei Entwicklungshilfe bekommt und unter anderem von der deutschen Armee ausgebildet wird. Ein Land, in dem Männer offen mit der Kalaschnikow über die Straße spazieren gehen. Wie kann da, bei den vielen gewaltsamen und tödlichen Auseinandersetzungen, überhaupt sowas wie "Polizei" funktionieren?

Die Akte Mandrake

Kommissar Kandar ist eine Ausnahmeerscheinung unter den Ermittlern der Polizei in Kabul. Der Zwei-Meter-Hüne ist absolut integer und nur der Aufklärung von Verbrechen verschrieben. Einer wie er wittert natürlich das etwas faul ist, wenn der Innenminister höchstpersönlich an einem Tatort erscheint und einen "eindeutigen" Selbstmord mit den Worten "Ich erwarte morgen Ihren Abschlussbericht" als erledigt einstuft. Kandar geht mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln seinem Instinkt nach. Und dazu braucht er den Obduktionsbericht des Arztes, bevor dieser dem Staatsanwalt vorliegt, ebenso wie er sich über alte Verbindungen nach Russland und in die Türkei an wichtige technische Hilfsmittel gelangen kann.

Dass er die Ermittlungen weiter voran treibt, ärgert den Innenminister. Bei dem Toten handelt es sich nämlich um den Geschäftsmann Wali Wadi und der war in internationale Machenschaften von höchster Brisanz verstrickt. Eine Geheimdienstorganisation aus der Schweiz, die so geheim ist, dass niemand ihren Namen kennt (so ziemlich der schlechteste Scherz des Autors in diesem Roman) hatte die Ermordung veranlasst und den Innenminister höchstpersönlich mit der Vertuschung des Anschlags beauftragt. Schnell steht fest, dass Kandar nur gestoppt werden kann, indem man ihn umbringt

Nachdem Kandar mit viel Glück und ein wenig Geschick mehreren Anschlägen auf sein Leben entgeht (seine Assistenten haben eine wesentlich geringere Lebenserwartung), entdeckt er, weswegen Wali Wadi sterben musste. Er besaß eine Kopie der Akte Mandrake. Doch was ist an diesem Dokument so brisant, dass so viele Leute dafür sterben müssen?

Zeitgleich bei der namenlosen Geheimdienstorganisation in Bern, die einfach "Die Firma" genannt wird. Der junge Analyst Nick Snee hat über einen Kontaktmann den Aufenthaltsort eines gesuchten Wirtschaftsberaters herausgefunden. Der Einsatz zu dessen Ergreifung schlägt jedoch fehl, ein eigener Mann wird sogar erschossen. Noch nie hatte es einen solchen Fehlschlag in der Firma gegeben. Der Gesuchte ist unerkannt auf der Flucht, seine Spur verloren. Nun muss sich die Firma auf Nick und seine herausragenden analytischen Fähigkeiten verlassen. Doch Nick will wissen, warum der Mann unbedingt gefunden und aufgehalten werden muss. Als man ihm die Auskünfte verweigert, beginnt er auf eigene Kappe Nachforschungen anzustellen. Der Name des gesuchten Mannes: Leonard Mandrake.

Eine echte Überraschung

So richtig Zeit zum Durchatmen lässt einem dieser Thriller nicht. Selbstmordattentat, Drohnenangriff, Sturmkommando. Zwischendurch immer wieder interessante Informationen über das Leben in Kabul, über Paschtunen und Belutschen, Tadschiken und Uzbeken und warum die sich alle untereinander nicht über den Weg trauen. Die traurige Rolle der Frau in der afghanischen Gesellschaft wird natürlich nicht ausgelassen (wie gut, dass Kandar mit einer Aktivistin für Frauenrechte verheiratet ist). Und über die immer noch sehr gut verdrahtete Taliban, die händereibend darauf wartet, dass die ISAF Schutztruppen das Land verlassen und somit den Weg zur Machtübernahme durch die Taliban wieder frei machen, berichtet Bannel natürlich auch.

Nein viel Luft bleibt da nicht. Natürlich ist es schwierig zu bewerten, wie gut Bannel damit die Situation in Afghanistan erfasst. Nur echte Kenner des Landes können das unter Umständen abwägen. Wichtig ist aber, dass die Beschreibungen des Franzosen authentisch wirken. "Das Kabul Komplott" ist eine von vorne bis hinten positive Thrillerüberraschung. Stets brisant, stets informativ, stets spannend. Nachrichten über Afghanistan sehe ich nach dieser Lektüre aus einer anderen Perspektive. Allein dafür hat es sich mehr als gelohnt, trotz aller anfänglichen Vorbehalte diesen Roman zu lesen.

Das Kabul-Komplott

Cédric Bannel, Rütten & Loening

Das Kabul-Komplott

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