Zulu

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • München; Zürich: Piper, 2010, Seiten: 475, Übersetzt: Jörn Pinnow
  • München; Zürich: Piper, 2011, Seiten: 475
Zulu
Zulu
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Jürgen Priester
83°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2011

Gimme Hope, Josephina

In Anlehnung an das gleichnamige Kap hat der deutsche Krimi-Autor D.B. Blettenberg seinen 2006 erschienenen Südafrika-Roman Land der Guten Hoffnung genannt. "Hoffnung" heißt in der Sprache der Zulu "Zaziwe". Mit diesem Wort ist auch der zweite Teil des vorliegenden Thrillers aus der Feder des Franzosen Caryl Férey überschrieben. Gibt es Hoffnung für oder in Südafrika?

Viele Jahre nach der Überwindung der Apartheid sieht es immer noch düster aus an der Südspitze Afrikas. Nicht nur Ausländer wie Blettenberg und Férey, sondern auch die bei uns bekannten südafrikanischen Autoren berichten von fortwährender Verelendung und sich ausweitender Gewalt in den großen Städten. Die Probleme in der Post-Apartheid-Gesellschaft sind nicht weniger geworden. Sie haben sich nur verlagert. Die Armen sind arm geblieben und werden immer ärmer – eine Entwicklung wie wir sie aus allen Ländern her kennen. Zu den wohlhabenden Weißen hat sich jetzt in Südafrika eine schwarze Mittel- und Oberschicht etabliert, die die vom Volke erkämpften Freiheiten zu nutzen wusste. Das Gros der schwarzen Stadtbevölkerung lebt weiterhin in den während der Apartheid-Zeit entstandenen Townships unter menschenunwürdigen Verhältnissen. Dort ist wenig Hoffnung zu finden. Wie schwer, ja fast aussichtslos Polizeiarbeit in diesem multiethnischen Milieu ist, zeigt Caryl Férey in Zulu.

Ali Neuman, Dan Fletcher und Brian Eepken, drei Angehörige der Kapstädter Kripo, sind über den Dienst hinaus miteinander befreundet. Wöchentliche Treffen in privatem Rahmen und der tägliche Kampf gegen das Verbrechen haben die drei zu einem effektiven Team zusammengeschweißt. Ali Neuman, ein gebürtiger Zulu, was sein Name nicht unbedingt vermuten lässt, ist trotz seines für dieses Amt recht jugendlichen Alters von Anfang 40 der Chef der Kriminalpolizei in Kapstadt. Er ist nicht der Vorzeige- oder Alibi-Schwarze, sondern hat diese gehobene Position durch harte Arbeit und achtbare Erfolge erlangt. Im Kindesalter wurde er Zeuge, wie sein Vater und sein älterer Bruder von schwarzen Milizen gefoltert und ermordet wurden. Ein Erlebnis, das ihn traumatisiert, aber auch im positiven Sinne geprägt hat: er ist ein unerbittlicher Streiter für Recht und Ordnung geworden, der sich nicht scheut, mit harten Bandagen zu kämpfen.

Ein immer komplizierter werdender Fall beginnt für ihn und seine beiden Untergebenen, als in einem Kapstädter Parkgelände die Leiche einer jungen Weißen – bestialisch zugerichtet – gefunden wird. Eine Studentin – folgsam und fleißig wie die meisten, besonders ihre Eltern, annahmen. Doch Augenzeugen hatten sie in den letzten Wochen vor ihrem Tod zusammen mit einem Drogendealer gesehen. Die Blutanalysen nach der Obduktion ergeben dann auch eine erschreckend hohe Konzentration einer neuen synthetischen Droge. Der mutmaßliche Dealer ist schnell gefunden, aber leider tot, gestorben an einer Überdosis ebendieser Designerdroge. Eine dritte Tote spült der Ozean ans Land, wieder eine junge Weiße, ähnlich zugerichtet wie die Tote im Park. Die Ermittler haben Glück. Ein Informant gibt - nicht gerade freiwillig - konkrete Hinweise auf einen einschlägig bekannten Bandenchef einer der Townships, der aber nur die Spitze eines Eisberges ist

Glaubte man als Leser bis zu diesem Zeitpunkt, eine gradlinige, zielorientierte Polizeiarbeit zu verfolgen, erweist sich diese jetzt mehr als ein Stochern in einer finsteren Schlangengrube oder, eher noch, als das Umkreisen eines Pulverfasses, dessen brennende Lunte die Polizisten nicht sehen können.

Die Hintergründe der Morde werden nicht nur für die Cops immer undurchsichtiger. Je mehr politische Gruppierungen ins Spiel kommen, desto diffuser werden die Verhältnisse auch für den Leser. Caryl Férey ist sichtlich bemüht, dem Leser einen Durchblick zu verschaffen, indem er die verschiedenen Fraktionen des Anti-Apartheid-Kampfes benennt, ihren Werdegang und ihren aktuellen Status quo beschreibt, aber für einen Thriller ist das zu viel des Guten. Es erweist sich sogar als kontraproduktiv, da es manchmal die bedrückende Atmosphäre zerstört und den Lesefluss negativ beeinflusst. Es hätte durchaus genügt, die Protagonisten als Stellvertreter für die Gesamtgesellschaft stehen zu lassen. Wegen ihres Polizeijobs sind sie ja nicht Außenstehende, sondern immer noch Teil der Gesellschaft – gerade das wird schon durch ihre Abstammung aus verschiedenen Ethnien (Zulu, Buren, Engländer) verdeutlicht. Südafrika ist nun mal ein Vielvölkerstaat und weit davon entfernt ein "melting pot" zu werden. Seine Rassenkonflikte werden heute nur viel subtiler ausgetragen. Féreys Thriller zeigt das in aller Deutlichkeit. Er schafft keine Hoffnung, sondern Ratlosigkeit.

Ali Neuman und seine Crew müssen mächtig Federn lassen, kämpfen sie doch als Ordnungskräfte an vorderster Front. So wie sie austeilen, stecken sie auch ein. Autor Feréy geht wahrlich nicht zimperlich mit ihnen um. Als Leser fragt man sich die ganze Zeit: wird denn einer von ihnen überleben? Der erste Teil des Romans trägt den Titel: " Die gegrillte Hand". Man darf lange darüber rätseln, was das bedeuten mag. Wenn´s dann so weit ist, trifft es den Leser wie ein Keulenschlag. Diese Szene markiert einen Wendepunkt in der Geschichte. Von nun an lässt Ali Neuman, der Zulu-Krieger, die Erde erbeben.

Im Vergleich zu Autorenkollege Roger Smith, der ja in seinen Südafrika-Thrillern eine wahre Orgie der Gewalt entfacht, die aber oftmals sehr gekünstelt daher kommt, wirken die Gewaltszenen in Zulu viel organischer, weil sie aus dem Kontext folgerichtig sind.

Ist Zulu jetzt ein harter Thriller über harte Männer für harte Männer? Wahrscheinlich schon, aber es gibt auch eine bemerkenswerte weibliche Komponente. Als Gegenpol zu den hektisch und brutal agierenden Männern hat Férey mehrere Frauenfiguren eingebaut, die im Roman das kleine Quäntchen Hoffnung repräsentieren, das auch in der Realität richtungsweisend sein könnte (sollte).

Josephina, Alis Mutter, ist genau der Typ der Urmutter, von imposanter Statur, halbblind zwar, mit schwachem, aber großem Herz, die sich ohne Ansehen der Hautfarbe um alle kümmert, die der Hilfe bedürfen. Oder Zina, eine Zulu-Tänzerin aus dem halbseidenen Milieu, tief in der Magie ihres Volkes verwurzelt, zeigt sie sich von Jugend an als engagierte politische Streiterin. Zwei Beispiele nur, die sich als eine Alternative zur immerwährenden Männergewalt anböten.

Soweit Kenntnisse ausschließlich aus der Literatur den Rezensenten zu einem Urteil befähigen, kann er Zulu eine verstörende Realitätsnähe zusprechen. Gewalttaten, nicht als billige Showeffekte eingesetzt, sondern als Bestandteil des südafrikanischen Alltags, sorgen für eine bedrohliche Stimmung, der sich der Leser kaum entziehen kann. Wenn die Fiktion als Realität empfunden wird, dann hat der Autor gute Arbeit geleistet. Gut recherchiert und adäquat umgesetzt bietet Zulu intensive Thrillerspannung, nicht nur für Freunde der härteren Gangart.

Zulu

Caryl Ferey, Piper

Zulu

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