Dr. Siri und die Geisterfrau
- Manhattan
- Erschienen: Januar 2016
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- London: Quercus, 2013, Titel: 'The Woman Who Wouldn't Die', Seiten: 307, Originalsprache
- München: Manhattan, 2016, Seiten: 352, Übersetzt: Thomas Mohr
Das geheime Leben der Madame Daeng
Eigentlich genießt Dr. Siri seit einigen Wochen seinen Ruhestand. Immerhin ist er inzwischen 74 Jahre alt, doch Richter Haeng hat einen neuen Auftrag für ihn. Eine Vergnügungsreise mit seiner Frau Madame Daeng nach Xaignabouri, wo in wenigen Tagen eine Regatta stattfindet. Ganz so uneigennützig ist die Angelegenheit jedoch nicht, denn auf dem Grund eines in der Nähe befindlichen Flusses inmitten des Urwaldes soll die Leiche des verschollenen Bruders des Landwirtschaftsministers zu finden sein. Diese soll geborgen werden und Dr. Siri, der einzige Leichenbeschauer der Volksrepublik Laos, soll die Identifizierung vornehmen.
"Warum glauben eigentlich alle, dass ich an einer Handvoll Knochen erkennen kann, ob das Skelett zahlendes Mitglied der örtlichen Gewerkschaft war?"
Auf den vermeintlichen Fundort des Leichnams brachte den Minister ein Medium namens Madame Keui, Frau War-einmal. Diese wurde erst kürzlich bei einem Überfall erschossen und in ihrem Dorf öffentlich verbrannt, spazierte jedoch bereits am folgenden Tag wieder durch den Ort. Seit ihrem Tod ist sie von einem Geist besessen und kann Kontakt mit dem Jenseits aufnehmen. Siri begeistert sich für Madame Daengs Geschmack ein bisschen zu viel für das Medium, doch dann gerät sie selber in größte Gefahr. Ein ehemaliger Geliebter trachtet ihr, mitten im Dschungel, nach dem Leben...
Unterhaltsam, humorvoll, geisterhaft.
"The Woman Who Wouldn't Die", so der Originaltitel, ist bereits der neunte Band der ebenso erfolgreichen wie beliebten Doktor-Siri-Paiboun-Reihe. Inzwischen 74 Jahre alt möchte er eigentlich seinen Ruhestand genießen, doch Richter Haeng will es anders. So stürzt er sich mit seiner Frau, der 67-jährigen Madame Daeng in ein weiteres Abenteuer, das ihn in ein abgelegenes Dorf inmitten des laotischen Urwalds entführt. An ihrer Seite der unter dem Down-Syndrom leidende Geung und ihr Hund namens Köter. Später stößt kurzzeitig der alte Politbüro-Veteran Civilai hinzu, während Inspector Phosy und Schwester Dtui in Vientiane die Stellung halten. Kurzum, es sind wieder alle altbekannten Figuren mit dabei. Der Verrückte Rajid ebenso wie Tante Bpoo, die sich allerdings gewissenhaft auf ihr baldiges Ableben vorbereitet.
"Sie dürfen auch Madame Daeng mitnehmen. Zweite Flitterwochen, sozusagen."
"Wohin?"
"Xaignabouri. Die Bootsrennen in Paklai."
"Die Rennen sind seit vier Wochen vorbei.
"Ja, hier bei uns. Aber es liegt im Ermessen des zuständigen Kaders zu entscheiden, wann er den Werktätigen in seiner Provinz ein paar Tage Urlaub gönnt. In Luang Prabang finden die Rennen erst im November statt."
"Ich weiß nicht. Auf meiner letzten Reise bin ich mitten in ein Massaker geraten. Auf der vorletzten wurde ich gefoltert und konnte nur knapp dem Tod entrinnen. Von Urlaub und Erholung keine Spur."
Wie der Titel des Romans schon andeutet, spielt die Geisterwelt im aktuellen Fall eine große Bedeutung. Siri weiß was dies bedeutet, schließlich haust in seinem Körper der Geist von Yeh Ming, einem Schamanen, der vor 1002 Jahren starb. Man sollte also dem sich hieraus ergebenen "Ereignissen" aufgeschlossen gegenüber stehen, wobei man ja bei der Serie ohnehin nicht alles ernst nehmen sollte. Im Gegenteil, auch der vorliegende Band besticht durch einen hohen Unterhaltungswert mit anhaltendem Schmunzelfaktor. Bissig und zynisch wie immer schießen - allen voran - Siri und Civilai ihre pointierten verbalen Giftpfeile ab. Doch auch der Plot bietet einiges an Spannung, zumal mehrere Fälle ineinander geraten.
Er saß stundenlang mit vernunftbegabten Bauern beisammen und versuchte sie davon zu überzeugen, dass der Sozialismus sie alle gleichermaßen reich machen werde. Dabei wartete er nur darauf, dass einer der Alten die Hand hob und fragte: "Und wird das System die Armut ebenso gerecht verteilen?"
Die Suche nach der Leiche des Ministerbruders entpuppt sich schnell als Täuschung, da nach etwas ganz anderem gesucht werden soll. Zudem treibt ein Franzose in Vientiane sein Unwesen und hinterlässt dabei eine blutige Spur. Sein Ziel ist Madame Daeng, seiner großen Lieber vor vielen Jahrzehnten. Überhaupt stielt Madame Daeng ihrem Gemahl ein bisschen die Schau, denn sie schreibt auf dessen Anregung ihre Memoiren. Diese haben es in sich und überraschen mit gänzlich neuen, zudem völlig unerwarteten Einblicken in die Charakterzüge von Madame Daeng, die bislang als herzensgute Chefin ihrer Nudelküche in Erscheinung trat.
Wer die Serie mag, greift natürlich gerne wieder zu. Neueinsteiger könnten angesichts der zahlreichen Geistererscheinungen ein kleines Problem haben und auch das Ableben der einen oder anderen Personen geht mitunter etwas zu plötzlich. Dafür gibt es aber neben dem schon angesprochenen Lebenslauf von Madame Daeng einmal mehr Einblicke in die Geschichte der Volksrepublik Laos. Im Vordergrund steht hier deren angespanntes Verhältnis zum einstigen Kolonialherren, sprich Besatzer, Frankreich, aber auch zu den Nachbarn aus Vietnam und Thailand.
Colin Cotterill, Manhattan
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