Sündentod

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2011
  • 2
  • Paris: La Vie du Rail, 2006, Titel: 'Deuils de miel', Seiten: 330, Originalsprache
  • Berlin: Ullstein, 2011, Seiten: 400, Übersetzt: Ingrid Kalbhen
Sündentod
Sündentod
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Andreas Kurth
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2010

Parasiten, Psychopathen und ein einsamer Wolf

Der französische Kommissar Franck Sharko ist ein seelisches Wrack. Seine Frau Suzanne hat er vor langer Zeit aus den Fängen des so genannten "Roten Engels" befreien können, aber an den seelischen Folgen hat die ganze Familie lange gelitten. Und dann kam für Sharko der Super-GAU: Suzanne und ihre Tochter Eloise wurden bei einem Unfall getötet. Für den leidenschaftlichen Polizisten Sharko hat das Leben damit im Grunde jeden Sinn verloren. Er muss sich ständig mit Tabletten vollpumpen, um überhaupt noch dienstfähig zu sein. Doch dann wird er als Ermittler gefordert – eine kahl rasierte Frau wird in einer Kirche im Beichtstuhl gefunden. Es dauert einige Zeit, bis die Polizei herausfindet, dass sie auf ganz spezielle Art vergiftet wurde. Ausgeklügelt versteckte Hinweise des Killers führen Sharko von einem schrecklichen Tatort zum nächsten – stets mit Insekten verschiedener Art versehen. Während der nervenaufreibenden Ermittlungen trifft der Kommissar in seiner Wohnung ein irgendwie rätselhaftes Mädchen, das ihn schließlich fast in den Wahnsinn treibt. Und trotzdem muss Sharko notgedrungen den Spuren in die dunkle Vergangenheit des Mörders folgen - und wird bis zum Finale mehr als einmal an seine Grenzen geführt.

Der zweite Psycho-Thriller von Franck Thilliez mit dem eigenwilligen Pariser Kommissar Franck Sharko ist ein hoch spannender und ausgezeichnet erzählter Roman, der den Leser von Beginn an in seinen Bann schlägt. Es kommt oft genug vor, dass der Zusatz "Psycho" eher aus der Marketing-Abteilung des Verlages kommt, und weniger dem tatsächlichen Inhalt eines Buches geschuldet ist. Bei "Sündentod" ist das allerdings ganz anders, hier erwartet den Leser eine wirklich brutale Geschichte mit einem eigenwilligen und leicht verrückten Ermittler. Zu loben ist hier auch die Wahl des deutschen Titels. "Deuils de Miel", so das französische Original, ist nämlich eine Art Wortspiel, so etwas wie "süße Trauer" oder "klebrige Trauer". Nicht wirklich korrekt zu übersetzen. Da trifft es der deutsche Titel mit "Sündentod" doch ganz gut – aber genauer will ich das hier nicht begründen, sonst verrate ich zu viel.

Franck Sharko ist Witwer, hat Frau und Tochter bei einem Verkehrsunfall verloren. Die Umstände des Todes seiner Familie haben den Kommissar aus Leidenschaft fast in den Wahnsinn getrieben. Diese dramatischen Ereignisse schildert der Autor in seinem Roman "Roter Engel", den man jedoch nicht gelesen haben muss, um "Sündentod" verstehen zu können. Von seinem Instinkt gesteuert funktioniert Sharko trotzdem, denn er will den sadistischen Psychopathen fassen, der sich in der französischen Hauptstadt eine ganze Familie geschnappt hat. Der Ermittler erinnert mich mit seiner sturen und analytischen Art an einen bestimmten Fernseh-Kommissar. Aber die Assoziation will ich hier nicht vertiefen, um kein falsches Bild zu zeichnen. Auf jeden Fall wird Sharko dem Leser im Laufe der Lektüre immer sympathischer, gerade wegen seiner Alleingänge und seiner nachdenklichen Art. Thilliez hat einen interessanten Protagonisten geschaffen, der seine psychischen Probleme auf ganz eigene Weise bewältigt.

Die perfide Art, mit der der Killer die Polizei zu den Leichen führt, jagt dem Leser so einige kalte Schauer über den Rücken. Zwei Familienmitglieder leben tatsächlich noch, als sie vom wie besessen ermittelnden Sharko gefunden werden – aber retten kann sie der Ermittler nicht mehr. Seine deshalb wachsende Verzweiflung verschärft seine immensen psychischen Probleme noch ganz erheblich. Gemeinsam mit seinen Kollegen muss er zudem die Angst vor einer speziellen Form von Malaria bewältigen, mit der die Mordopfer infiziert wurden. Und der Horror, den die Insekten und Parasiten an den Tatorten auslösen, macht die Morde recht einzigartig. Totenkopfschmetterlinge, Malaria übertragende Mücken und schließlich noch rote Ameisen – da wird nichts ausgelassen. Der Fall ist äußerst knifflig, und es gelingt dem Autor nahezu perfekt, die Frage nach dem Motiv für die wirklich rätselhaften Morde fast bis zum Schluss unbeantwortet zu lassen.

Es erinnert stark an einen "Film noir", wie sich der Kommissar verbissen durch die Ermittlungen pflügt. Frank Thilliez lässt Sharko so einige Klischees bedienen. Kurze, geradezu abgehackte Sprache. Ermittlungen in den Katakomben unter Paris. Rätselhafte Ereignisse im Park, Gedächtnislücken, permanent düstere Stimmung – eine Verfilmung von "Sündentod" müsste in schwarz-weiß erfolgen, um dem Roman gerecht zu werden. Und dann das Ende der Mordserie, ein wirklich packendes Finale mit einigen Überraschungen. Was dann noch mit Franck Sharko passiert, mag manchem Leser zu unglaubwürdig erscheinen. Ich finde den Ausklang des Buches dagegen höchst konsequent. Und ob das glaubhaft ist, interessiert mich nicht wirklich – die spannende Lektüre habe ich jedenfalls genossen.

 

Sündentod

Franck Thilliez, Ullstein

Sündentod

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