Die letzte Wahl
- Lübbe
- Erschienen: Juli 2021
- 0
Wer verteidigt am Ende die verletzliche Demokratie?
Der denkbare Weg in eine nationalistische Diktatur - in verschiedenen Nuancen - hat offenbar Konjunktur in der deutschen Spannungsliteratur. Ich gehe deshalb davon aus, dass Eric Sander nicht der letzte Autor sein wird, der in einem Thriller ein Szenario beschreibt, in dem eine populistische Partei mit einem skrupellosen Führer die Bundesrepublik Deutschland an den Rand einer Diktatur führt. Darum geht es im Kern in Sanders lesenswertem Werk.
Nicholas Moor, Journalist bei einer großen Münchener Zeitung, ist geschieden und verbringt daher nur ab und zu ein Wochenende mit seiner Tochter Hanna. Bei einem Wochenend-Ausflug in die Alpen haben die beiden eine Drohne dabei, die sich Mohr von einem Kollegen geliehen hat. Als das Fluggerät über einem Tagungsgebäude schwebt, erkennt der Journalist plötzlich führende Mitglieder der nationalistischen “Volkspartei”, die sich hier offenbar zu einem eher geheimen Treffen versammelt haben. Die Drohnen-Kamera filmt Dinge, die nicht für Außenstehende gedacht sind - und schnell haben Vater und Tochter einige Security-Mitarbeiter der VP auf den Fersen. Sie kommen zunächst ungeschoren davon, aber die Drohne stürzt ab und bleibt an einem Steilhang liegen.
Lebensbedrohliche Probleme für den Journalisten Nicholas Moor
Moors Kollege Lucas ist sauer über den Verlust der Drohne, aber den Vorfall mit der VP findet er spannend. Allerdings ist der Film, den die Drohne aufgenommen hat, nicht in der Cloud zu finden. Die Mitarbeiter der VP bergen dann zwar die Drohne - aber die Speicherkarte ist nicht mehr im Gerät. Einer Hacker-Truppe der Partei gelingt es dann allerdings, die Filmsequenz aus dem Hauptspeicher der Drohne zu rekonstruieren. Und damit fangen die lebensbedrohlichen Probleme für Nicholas Moor an. Der Journalist hat vor Jahren einen wichtigen Informanten durch einen merkwürdigen Verkehrsunfall verloren. Jetzt identifiziert er auf dem Video dazu, das er sich nochmals anschaut, einen der Sicherheitsmänner der Volkspartei.
Die Jagd der skrupellosen Security-Leute auf Nicholas Moor und seine Tochter Hanna ist eröffnet, und wird den Journalisten an seine Grenzen führen. Markus Hartwig, Kanzlerkandidat der rechtspopulistischen Partei, will sich durch nichts stoppen lassen, zumal seine nationalistische Truppe in den Umfragen vor der Bundestagswahl führt. Für alle Fälle hat die Partei auch noch einen Umsturzplan in der Tasche, der Moor und seinem Kollegen in die Hände fällt, und wird zudem von immer mehr Menschen im Sicherheits- und Justizapparat unterstützt. Für Nicholas Moor ein wahrer Alptraum - er kann beweisen, was mit der VP los ist und was sie plant, aber niemand will ihm zuhören.
Eine Hetzjagd mit großer Dynamik
Die Hetzjagd auf den mutigen Journalisten entwickelt eine große Dynamik, praktisch sofort nach dem Vorfall mit der Drohne spürt der Leser einen großen Sog. Der Autor versteht es meisterhaft, für ständig neue Aspekte und Wendungen zu sorgen, um seine Leser immer weiter neugierig zu halten. Nicholas Moor ahnt am Anfang natürlich nicht, auf was er sich da einlässt, und welche Folgen seine hartnäckigen Recherchen haben werden. Es gibt Tote, zerstörte Existenzen, und weitere dramatische Vorfälle, die nicht nur mit Moor und seinen Nachforschungen zu tun haben.
Eric Sander ist Journalist und Politikwissenschaftler, und ich kann abermals nicht widerstehen festzustellen, dass diese Kombination in aller Regel dazu führt, dass Autoren richtig spannende Bücher schreiben. Es wird bei der Lektüre schnell deutlich, wen Sander mit der Volkspartei meint, sogar einzelne Figuren lassen sich auf die deutsche Politik übertragen. Aber das muss jeder Leser für sich selbst machen, wobei es schwer ist, das Buch angesichts des enormen Spannungsbogens mal beiseite zu legen, um über das Gelesene nachzudenken. Insgesamt ein toller Plot mit einem leider allzu aktuellen Thema. Der Aufstieg populistischer und nationalistischer Parteien in ganz Europa ist ein ernstes Thema, das Eric Sander hier hervorragend literarisch verarbeitet hat.
Bei der großen Dynamik steuert die Handlung irgendwann auf ein Finale zu, an das bereits hohe Erwartungen bestehen. Manche Autoren schaffen es dann nur schwer, einen akzeptablen Schluss zu konstruieren. Eric Sander hat hier auch eine kleine Schwäche, aber insgesamt kann ich als Leser mit dem Schluss leben. Zuvor hat der Autor seinen flüssigen Erzählstil genutzt, um für eine kurzweilige und unterhaltende Lektüre zu sorgen.
Fazit
Endlich mal wieder ein Thriller, der diese Bezeichnung tatsächlich verdient. Überzeugender Plot, ständig steigende Spannung - und ein Protagonist, den man als Leser gerne bei seinem Kampf gegen das drohende Böse begleitet. Perfektes Kopfkino, das ich gerne auch mal als Film sehen würde.
Eric Sander, Lübbe
Deine Meinung zu »Die letzte Wahl«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!