Federball

  • Ullstein
  • Erschienen: Oktober 2019
  • 3

Peter Torberg (Übersetzung)

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Almut Oetjen
96°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2020

Der Brexit: Großbritannien im freien Fall

Nat, der Erzähler, ist ein 46-jähriger SIS-Offizier, der zwanzig Jahre seines Berufslebens in feindlichen Staaten Quellen für die Russlandabteilung angeworben und geführt hat. Nach der Rückkehr aus dem Ausland will er mehr Zeit haben für seine Frau Prue, Partnerin in einer Anwaltskanzlei in der City of London, und Tochter Steff, Studentin der Philosophie und Mathematik in Bristol.

Nat erwartet seinen altersbedingten Rauswurf aus dem aktiven Dienst, stattdessen bekommt er die Leitung der russischen Außenstation Oase in Camden Town, da Russland zunehmend zur Bedrohung wird. Die Oase ist ein deprimierender Ort, der Name kann nur ironisch gemeint sein. Seine Nummer zwei ist die engagierte Nachwuchsagentin Florence, genannt Flo.

Nat ist leidenschaftlicher Badmintonspieler und hat gerade die Vereinsmeisterschaft des Athleticus Club in Battersea gewonnen, als er von dem ihm unbekannten Ed Shannon aus Hoxton herausfordert wird. Ed, Rechercheur für eine Medienagentur, wird sein regelmäßiger Partner und teilt ihm nach den Matches unverblümt seine politischen Überzeugungen mit: er hasst die britische Regierung, Trump und Putin, der Brexit in Trumps Zeiten sei ein Haufen Scheiße.

Während Nats Chef Bryn, Leiter der Russlandabteilung, mit dem US-Bruderdienst Geheimgespräche über die Post-Brexit-Ära führt, spitzt sich die Lage in London zu. Die von Nat und Flo vorbereitete Operation Rosebud wird abgeblasen. Dabei sollte ein in London lebender ukrainischer Oligarch mit Verbindung zu Moskau und zu pro-russischen Elementen in der ukrainischen Regierung belauscht werden. Der russische Doppelagent Pitchfork nimmt Kontakt zu seinem Quellenführer Nat auf. Eine hochrangige Agentin aus Moskau will sich in London mit einem unbekannten Spion treffen.

Es geht um die Operation Jericho, brisante Pläne der Briten und Amerikaner für die Post-Brexit-Ära. Jemand füttert die Russen mit Informationen über diese strenggeheime Operation.

Der nationale Ausverkauf - oder: Innere Fäulnis

Der Protagonist Nat erzählt seine Geschichte wie ein Debriefing, einen offiziellen Bericht. Was die Frage provoziert, ob und was er denn verbrochen haben mag. Zusammenfassend schildert er seine zerrissene Kindheit, seine Jugend und seinen Weg zum Agentenberuf. Obwohl in Paris als Sohn eines Schotten und einer Weißrussin geboren, ist er stets ein loyaler Diener Großbritanniens gewesen. Es gab keine Konflikte. Doch wer ist hier der Verräter? Wem schuldet der Agent Treue? Die Operation Jericho bringt Nat dazu, seine Loyalität in Frage zu stellen. Le Carré thematisiert in seinem Werk immer wieder das Wesen von Loyalität. In „Federball“ gibt er dem Begriff eine neue Wende.

Die Matches zwischen Nat und Ed erstrecken sich über mehrere Wochen und punktuieren die Geschichte. Langsam entwickelt sich eine unerwartet enge Beziehung zwischen den beiden Männern, nicht wie zwischen Vater und Sohn oder Quellenführer und Quelle, sondern eine Mischung aus beidem. Ed ist pedantisch, aber auch sympathisch, mit mutiger Entschlossenheit führt er seine sportlichen und politischen Duelle.

Es geht um das aktuelle Thema Brexit, ein Anathema nicht nur im Athleticus. Das sei Selbstmord, ein „beschissenes Chaos“, bei dem die Briten von einem „Haufen reicher, elitärer Schwindler, die sich als Männer des Volkes gerieren, über die Klippe gescheucht“ werden. Den amtierenden Außenminister (und spätere Premier) nennt er einen „verfluchten Narzissten von elitärem Eton-Absolventen, der nicht eine einzige feste Überzeugung zu bieten hätte, mal abgesehen von seinem eigenen Fortkommen“. Trump ist für ihn ein Faschist und Rassist, ein Antichrist genau wie Putin.

Mit Woodpecker führt Le Carré einen zweiten, ebenso kritischen politischen Analysten der Gegenwart ein. Laut Woodpecker unterwerfen sich die Briten Trump, „Putins Latrinenputzer“, dem seien die europäische Einheit, die Menschenrechte und die NATO egal. Putin spiele mit dem Westen und gebe dabei seinen Bürgern den russischen Stolz zurück.

Autor putzt die politische Kaste gnadenlos runter

Le Carré nutzt die Form des Spionagethrillers, um vehement Kritik an der politischen Kaste zu üben und vor einem Manöver zu warnen, das es bis dato noch nie gegeben hat und dessen Folgen kein einziger Politiker absehen kann, auch wenn er es behauptet.

Es geht um die Arroganz und Gleichgültigkeit der Reichen und Mächtigen, ihre Bereitwilligkeit andere Menschen zu instrumentalisieren und zu vernichten, ihre moralische und geistige Korruption. 

Geld ersetzt Ideologie als primären Hintergrund für den Kampf um die Macht in Europa. In dieser Hinsicht haben Russland und die Ukraine gewonnen. Die Oligarchen kaufen Immobilien in Knightsbridge und Kensington, die City of London ist bekannt als Waschmaschine für ihr Schwarzgeld. Sie schmieren EU-Austrittswillige und stehen in Verdacht, russische Cyber-Experten zu bezahlen, die sich im Westen in demokratische Foren hacken. Die Trennlinie zwischen Oligarchen, Organisierter Kriminalität und Politik ist verschwunden, wie der Rückzug aus der Operation Rosebud zeigt. Schließlich geht es da um Milliarden. Bei kleineren Beträgen ist man weniger großzügig. Nats Reisekosten nach Karlovy Vary werden zwar erstattet, aber nicht das Taxi zum Hotel. Angeblich gab es einen Bus dahin, den er hätte nehmen können. Für das Treffen mit seiner Quelle muss er einen klapprigen Vauxhall mieten.

Le Carré benennt die politischen Zusammenhänge klar und eindeutig, und verpackt sie in einen spannenden Spionagethriller mit klassischen Zutaten. Es geht um Schläfer und Doppelagenten, Aliases, halbvergessene Codenamen, Ablenkungsmanöver, Täuschung und Verrat, geheime Staatsintrigen, tote Briefkästen, Überwachungsaktionen, konspirative Treffen und vor allem um die Zerbrechlichkeit des Menschen.

Die eigentliche Action, also das, was die Story vorantreibt, spielt sich in den Dialogen ab. Selbst wenn sie noch so unverdächtig scheinen, können sie codiert sein und zwei Bedeutungen haben, eine für den heimlichen Zuhörer, eine andere für den Gesprächspartner. Die menschlichen Beziehungen sind geprägt von Misstrauen, auch und vor allem unter Kollegen und Vorgesetzten. Nats einzige Vertrauensperson ist seine Frau Prue. Kommt er anderen Menschen nahe, die in Gefahr geraten, wird es auch für ihn gefährlich. Wie viel will und kann er riskieren? Es gibt Verwicklungen und überraschende Wendungen, manche sind weniger glaubwürdig als notwendig zum Vorantreiben des Plots. Doch die Emotionen sind echt. 

Fazit:

John le Carré, Jahrgang 1931, behandelt in „Federball“ ein hochaktuelles und brisantes Thema, den Brexit und die zerstörerischen Folgen für Großbritannien und Europa. Ein klassischer Spionagethriller nicht ohne Ironie, inspiriert und kraftvoll erzählt, der sein Thema und das Erzählen mit eindrucksvoller Leichtigkeit beherrscht und ein Maß für Menschlichkeit vermittelt.

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"Fedrball" von John le Carré (Ullstein) im Ziel von Jochen König (Krimi-Couch.de Spezial) und Birgit Stöckel (Krimi-Couch.de Redaktion).

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Federball

John Le Carré, Ullstein

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