Vanitas - Bd.1: Schwarz wie Erde
- Knaur
- Erschienen: Februar 2019
- 7
Die Sprache der Blumen und das Verbrechen
Protagonistin Carolin hat vor einem Jahr verdeckt für die Polizei im Umfeld der Organisierten Kriminalität ermittelt. Am Ende dieser Tätigkeit wurde sie als Tote beerdigt, erstand mit neuer Identität wieder auf und lebt nun in Wien, wo sie als Blumenverkäuferin in einem Geschäft am Zentralfriedhof arbeitet.
Kontakt zu ihrer Vergangenheit hat sie in Gestalt des von ihr wenig geschätzten Kriminalhauptkommissars Robert Lesch. Robert und Carolin kommunizieren teils über Blumen, gelegentlich treffen sie sich zu einem Gespräch.
Carolins Gegenwart ist bestimmt durch Narben an Seele und Körper. Die Angst, dass die kriminelle Organisation, der Karpin-Clan, von ihrer neuen Existenz erfahren könnte, begleitet sie durch den Alltag und ihre Träume. Das wird nicht besser, als sie einen neuen Auftrag aufgezwungen bekommt. Aufgezwungen, weil die Erfüllung dieses Auftrages als Preis für ihre Sicherheit aufgerufen wird.
Robert holt Carolin aus der Deckung und setzt sie so einer möglichen Gefährdung aus. Sie soll in München die Wohnungsnachbarin von Tamara Lambert, der Tochter eines Bauunternehmers, werden und Informationen über sie und ihre Besucher sammeln, wenn möglich auch Fotos fertigen. Vordergründig geht es bei ihrem Auftrag um Unfälle auf Baustellen von Konkurrenzunternehmen. Angedeutet wird zudem die Möglichkeit illegaler Preisabsprachen.
Es beginnt harmlos, wird aber zunehmend problematisch. Manches entgleitet Carolin, sie macht Fehler, und schon bald stellt sich die Frage, ob sie nicht doch wieder in Lebensgefahr geraten könnte. Nicht nur, weil die Bedrohung aus der Vergangenheit in Form des Clanbosses Andrei über ihr schwebt.
Eine neue Thrillerreihe
Im Prolog wird eine Journalistin auf einer Baustelle grausam ermordet. Die Schilderung liest sich auch so und entspricht dem Stand der gegenwärtigen Inszenierung von Thrillern: ein brutaler Teaser als Einstieg.
Mit einer dem Film entnommenen Montagetechnik erfolgt eine grafische Überblendung auf Carolin am Arbeitsplatz. Im Prolog gibt es eine Bewegung vom Leben in den Tod, mit dem Einstieg in die Ich-Erzählung eine Spiegelung, in der sich die Protagonistin an ihre Beerdigung erinnert. Ursula Poznanski erzeugt so eine Kollision zweier Handlungsmomente, die die Aufmerksamkeit der Leserin auf diesen Zusammenhang lenkt. Es ist vom Visualisieren die Rede, von einer „optischen Beleidigung“, ein Mann hinter einer Kamera wird erwähnt. Wir erfahren Dinge aus Carolins Vergangenheit, darunter die Begründung für ihre neue Identität.
Natürlich gibt es eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, dem alten und dem neuen Fall. Carolins Ängste sind durchaus plausibel. Das Grundmotiv der Protagonistin und manch anderer Figur als Menschen, die dem Tod sehr nahe sind, findet in reichhaltigen Hinweisen seinen Niederschlag. Zu diesen Hinweisen gehören: das Nachdenken über den Tod, Gräber und Schädel, eine Sanduhr als Bild für vergehende Lebenszeit, geschnittene wie auch verwelkende Blumen, ein Pflegeheim, schließlich der Romantitel „Vanitas“.
Dazu passen Passagen wie die vom institutionalisierten Niedergang der Rechtschreibung, die an das didaktische Konzept vom Schreiben nach Gehör erinnern: Eileen, Mitarbeiterin im Blumenladen, schreibt Lilien mal als Lillien, mal Lielien.
Der Roman wird (überwiegend) in 27 fortlaufend nummerierten Kapiteln aus der Ich-Perspektive seiner Protagonistin erzählt. Carolin als narrative Instanz filtert nicht nur die Ereignisse subjektiv, sie vermittelt uns auch ihre Gedanken, ihre Erinnerungen und ihren mentalen Zustand.
Ferner gibt es den Prolog und fünf Einschübe in der dritten Person Singular, statt mit Kapitelnummern mit Überschriften versehen. Diese Überschriften (Prolog – Inzwischen – Später – Schon fast Nacht – Anderswo - 1956) erzeugen einen linearen zeitlichen Fluss und einen direkt benannten Ortswechsel, dann einen erklärenden Sprung in die Vergangenheit.
Die Montage des Materials ordnet sich offensichtlich dem Inhalt unter. Es wird, abgesehen von wenigen Kontrasten und Brüchen, in kontinuierlichem Zusammenhang erzählt. Der Vortrag ist subtil, sieht man ab vom Prolog und einer brutalen Erinnerung der Protagonistin, in der ein Messer und Implantate von Bedeutung sind.
Carolin trifft mitunter wenig intelligente Entscheidungen. So geht sie auf eine Galaveranstaltung der gehobenen Münchner Society, auf der Presse anwesend ist, weshalb sie auch prompt fotografiert wird und somit ihre neue Identität gefährdet. Aber der Lebensfaden der Protagonistin ähnelt ja auch eher einer ständig sirrenden Stromleitung.
Carolin versucht, die Kontrolle über ihr Leben zu erhalten oder wiederzugewinnen. Entsprechend hat sie sich in ihrem privaten Raum eingerichtet, Selbstverteidigung gelernt und eine Schusswaffe in der Wohnung versteckt. Aber außerhalb dieses Raumes muss sie erleben, dass Kontrolle eine Illusion ist.
Fazit:
Für mich liest sich der Roman weniger als eine an häufigen Unterbrechungen mit der Qualität von Cliffhangern sich entlangziehende Geschichte. Vielmehr gelingt es Ursula Poznanski, das anfängliche Spannungsniveau zu erhalten, was es ermöglicht, auf die Verwendung von Klimax-Abfolgen und häufigen Szene-Wechseln zu verzichten. Das mag auf manche Leserin anachronistisch oder altmodisch wirken, ist man doch heute eher gewohnt, alle vier Seiten in der Luft zu hängen, zwischen Personen und Orten hin- und hergeschleudert zu werden.
Aber die Autorin macht das sehr gut. Sie legt mehr Wert auf ihre Figurenkonstellationen und vertraut der Wirkung ihrer Story, so dass sie auf Tuning-Maßnahmen verzichten kann. Es reicht im Grunde aus, intelligent die Aufmerksamkeit der Leserinnen zu steuern und die Informationen, hier insbesondere auf die Vergangenheit der Protagonistin bezogene, zu streuen.
Am Ende hat Robert Lesch zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, in einem unschönen Spiel, in dem sich Carolin benutzt fühlt. Eine interessante und vielversprechende Ausgangslage, in der die Hauptfigur einer neuen Reihe etabliert wird.
Ursula Poznanski, Knaur
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