Hangman. Das Spiel des Mörders

  • Hörbuch Hamburg
  • Erschienen: Januar 2018
  • 8
  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2018, Seiten: 2, Übersetzt: Peter Lontzek
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Jochen König
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2017

Galgenmännchen weht im Wind

Etwa anderthalb Jahre sind vergangen, seit der "Ragdoll"-Killer (nein, kein Katzenmörder) sein Unwesen trieb. Der Fall wurde auf unsanfte Weise abgeschlossen, der leitende Ermittler und die Hauptfigur aus Daniel Coles Roman, DS William-Oliver Layton-Fawkes, genannt Wolf, ist seitdem verschwunden. Deshalb rückt im zweiten Teil der Serie seine beförderte Kollegin Chief Inspector Emily Baxter weiter ins Zentrum. Damit sie das, was auf sie zukommt, nicht alleine schultern muss, stehen ihr CIA-Agent Damien ("Das Omen" - ihr wisst schon) Rouche und FBI-Ermittlerin Elliot Curtis zur Seite. Nicht ganz unbeteiligt am Geschehen ist auch Computer-As Edmunds, der sich zurück ins Betrugsdezernat hat versetzen lassen, und von dort aus seiner Freundin Baxter unter die Arme greift.

Von britischen Lumpenpuppen und amerikanischen Ködern

Ein Erhängter bringt die bunte Ermittlerschar in New York zusammen. Der baumelnde Tote trägt den gleichen Namen wie der vermisste Wolf, in seine Brust ist das Wort "Köder" eingeritzt. Derart auf die Ragdoll-Morde verweisend, sehen sich die amerikanischen Ermittlungsbehörden genötigt, Emily Baxter zu kontaktieren und zumindest formal in die Untersuchung einzubeziehen. Die lässt sich zweimal bitten, ist dann aber mitten in einem mörderischen Geschehen, welches weitere Opfer fordern wird, und Baxter sowie ihr zusammengewürfeltes Team von London nach New York und wieder zurück führt.

Emily Baxter in tausend Nöten

Daniel Cole beweist Mut, indem er mit Emily Baxter eine sperrige, widerborstige Frauenfigur zur Protagonistin seines Romans macht. Viele Sympathiepunkte kann die renitente, trinkfreudige und paranoide Polizistin nicht auf sich vereinen. Höchstens gegenüber ihrer kriecherischen Vorgesetzten Commander Vanita oder deren amerikanischem Pendant Rose-Marie Lennox. Diese möchte Baxter sowieso nur aus Alibi-Gründen vor Ort haben, um sie schnellstmöglich ins informelle Abseits zu befördern. Da spielt DCI Baxter aber nicht mit. Leider fällt dem Autor zu Emily Baxters Kratzbürstigkeit kaum mehr ein, als sie wie ein unartiges Kind agieren zu lassen, das mit den Füßen aufstampft, wenn es ärgerlich ist und sein Handy durch die Gegend schmeißt, wenn eine Wutattacke naht. Davon gibt es einige. Irgendwie hinterlässt Baxter den Eindruck, sie sei aus einem Hanni und Nanni-Band ausgebüxt und bei der Polizei gelandet. Das passt allerdings gut zu den flachen Witzen, die den ansonsten grimmigen Roman durchziehen - wie die unfassbar peinliche Arachnophobie-Slapstick-Nummer im Hotelzimmer der nicht ganz so taffen Polizistin Curtis.

Meta-Thriller oder popkultureller Trash?

Als konsequenter, spannungsgeladener Thriller funktioniert "Hangman", trotz der handelsüblichen, blutrünstigen Brutalitäten und dem hyperaktiven Herumgewese, kaum. Als Parodie wie paradigmatische Blaupause besitzt das Werk jedoch seine Meriten. Denn selten eindrücklich wird gezeigt wie unbedeutend Motivation, Logik und Nachvollziehbarkeit in derartigen Thrillern sind. In Coles Buch passiert, was passiert, weil es passiert, die Gründe dafür sind schlichtweg egal.

So wird aus einem vermuteten Serienmordfall die Studie einer obskuren Psychosekte, die im leichenreichen Finale des in New York spielenden Parts mehr an Monty Pythons fliegendes Suizid-Kommando der judäischen Volksfront erinnert als an verführte Fanatiker, deren blutreiches Ableben einem Schock gleichkommt.

Cole setzt sich mit Wonne über Regeln hinweg. FBI, CIA und New Scotland Yard ermitteln und arbeiten immer dort, wo sie sich gerade befinden, egal um welches Land, Uhrzeit oder welchen Fall es sich handelt. Der Ragdoll-Bezug bleibt seltsam vage und inhaltsleer, Täter werden aus dem Hut gezaubert und wieder fallengelassen, am Ende ist es völlig gleichgültig, wer sich als Drahtzieher hinter der (Selbst)mordserie entpuppt. Es hätte auch ein Pizzabote sein können, der mit seinem Trinkgeld unzufrieden ist.

Von Polizist*innen und flachen Pfeifen

Die Figuren, insbesondere die im Fokus stehenden Ermittler, werden charakterisiert durch ihre Tics und Macken, die aus gängigen Klischees bestehen. Das wirkt umso unglaubwürdiger, je überspannter es ausfällt. Ein todkrankes Kind reicht fürs nachhaltige Trauma nicht aus, das arme Dingelchen muss mit seiner Mutter auf dem Weg ins Krankenhaus bei einem Unfall aus dem Leben scheiden. Mit Ausnahme von DC Edmunds (der als bei solchen Stoffen omnipräsenter Computerfreak immerhin für einen Hauch von Ermittlungsarbeit steht) und marginal Emily Baxters momentanem Lebensgefährten Thomas, vermeidet Cole empathische Annäherungen. Kann man als Fußnote zu einer Welt in Auflösung verstehen, führt aber auch dazu, dass einem das Schicksal der Charaktere ziemlich gleichgültig ist. Selbst ein Todesfall im engeren Kreis der Hauptfiguren lässt völlig kalt. Ansonsten muss man sich keine Gedanken um deren Wohlbefinden machen, denn sogar mit gesplitterten Knochen scheint agiles Herumturnen unproblematisch zu sein.

Cole traut sich was

Formal herrscht ebenfalls fideles Chaos. So wird das Ende als Prolog vorweggenommen, um im Epilog wieder aufgegriffen zu werden. Nach 260 Seiten wird unvermittelt die Erzählperspektive aus Ermittlersicht aufgebrochen, um gelegentlich Kapitel (samt Überschriften, die es vorher nicht gab) aus Tätersicht einzufügen. Ein Notbehelf, der stakkatohaft für marginales Hintergrundwissen sorgen soll, doch nur das herrschende Chaos verstärkt. Denn "Hangman" erklärt nichts, behauptet nur und lässt seine todessehnsüchtigen Probanden wie Lemminge über die Klippe stürzen. Macht man halt so in Lemmingkreisen. Irgendein in der Vergangenheit zugefügtes Leid und die daraus resultierenden Rachegelüste werden sich schon zur Begründung für Massenmord, Sachbeschädigung und Erzeugung allgemeinen Tohuwabohus finden lassen. So hat sich Johnny Rotten "Anarchy in The UK" vermutlich nicht vorgestellt.

Der Sterne Licht am Mond zerbricht, doch dich zerbrach's noch immer nicht *

Ganz zum Schluss setzt es noch eine Pointe der gewohnt schwachbrüstigen Art, die eine mögliche Fortsetzung vorbereiten soll. Dabei ist der, falls überhaupt vorhandene, Bedarf an Stoffpuppen und Galgenmännlein vollends gedeckt. Man muss übrigens "Ragdoll" nicht zwingend gelesen haben, um mit "Hangman" klarzukommen. Der Vorgänger ist für Anhänger gängiger Spannungsliteratur aber die bessere Alternative, das "Hangman"-Flickwerk ist ein eher spezielles Vergnügen für Leser, die Grenzen zum Absurden gerne überschreiten und auch in flachen Gewässern bizarre Kreaturen entdecken möchten.

* Christian Morgenstern, "Bundeslied der Galgenbrüder"

Hangman. Das Spiel des Mörders

Daniel Cole, Hörbuch Hamburg

Hangman. Das Spiel des Mörders

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