Die Rivalin

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2017
  • 12
  • München: Goldmann, 2017, Seiten: 448, Übersetzt: Kristian Lutze
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Sabine Bongenberg
95°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2017

Das meint Krimi-Couch.de: Der Wahnsinn kommt auf leisen Sohlen

Michael Robotham macht sich erfahrungsgemäß nicht viel aus einem literarischen Vorspiel. Der Leser wird unvermittelt in das Leben zweier Frauen gekickt. Agatha füllt die Supermarktregale auf und scheint für ihre Umgebung unsichtbar zu sein, Meg ist mit einem Sport-Reporter verheiratet und hat einmal Jude Law interviewt. Beide schieben einen veritablen Baby-Bauch vor sich her und freuen sich auf das Kind. Aber sie freuen sich auf dasselbe Kind, denn eine der beiden ist verrückt.

Es ist immer wieder unfassbar, wie Robotham langsam das Grauen in gewöhnliche Situationen einbauen kann. Eine Frau wirkt ganz normal, sie hat Liebschaften, sie sie hat einen Job und bis hierhin ist alles gut. Dann erfährt der Leser, dass sie das Handy ihres Lovers durchsucht und stutzt zum ersten Mal. "Er kapiert nicht, dass ich versucht habe uns beide zu beschützen", so begründet eine der beiden Ich-Erzählerinnen ihren Vertrauensbruch.

Mit dieser Aussage wird auch schon der rote Faden im Stück offenbart. Wer an einer psychischen Erkrankung leidet, schafft sich seine eigene Realität, sieht die Dinge anders, ver-rückt die Realität und muss auf deren Bedrohungen auf seine eigene Art und Weise reagieren. Manchmal auch mit extremen Mitteln. Dem Außenstehenden mag das als Mord erscheinen - für den Erkrankten ist aber vollkommen klar, dass er nur seine Welt, seinen Besitz und seine Träume verteidigt. Er geht nicht über Leichen - er verfolgt nur zielgerichtet seinen Weg. Ist das schlimm?

Mit Zähnen und Klauen

Robotham schafft gerade bei diesen Beweggründen besondere Spannungsmomente. Jemand, der seine Welt bedroht sieht und bereit ist dafür mit allen Mitteln zu kämpfen, handelt nach seiner eigenen Anschauung rational und zielführend. Dem Außenstehenden, der seine Anschauungen nach dem - wie auch immer angelegten - "Normalen" definiert, ist dagegen entsetzt, wenn zum Beispiel die Ermordung eines Kindes - das eine bis dahin gut konstruierte Geschichte zum Einstürzen bringen könnte - als Option in Betracht gezogen wird. Als Manko mag manchem Leser dabei erscheinen, dass der Autor sich Zeit nimmt, seinen Roman in Ruhe zu erzählen und aufzubauen. Dennoch hebt sich das Werk durch diese Ausführlichkeit wohltuend von vielen Thrillern ab, wo der Leser quasi im Schweinsgalopp durch eine Vielzahl von Morden gejagt wird.

Mit einem Fragezeichen dürfte allein die Handlung einiger Nebenpersonen versehen werden. Ist es wahrscheinlich, dass Agathas Lebensgefährte, der sich getrennt und sie über einen längeren Zeitraum nicht gesehen - und vermutlich mehr oder weniger vergessen hatte - sich allein wegen der Geburt eines Kindes wieder zu ihr hinwendet und neu verliebt? Dabei sogar bereit ist, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten? Packt eine Geliebte tatsächlich im wichtigsten Moment eines öffentlichen und religiösen Appells an einen Entführer mit der Geschichte aus, dass sie ein Verhältnis mit dem Mann einer der Frauen hatte? Dennoch erscheinen diese Fragen im Rahmen der spannenden Handlung als "Meckern auf hohem Niveau".

Noch ein letzter Dreh

Die packende Geschichte lässt erst gegen Ende ein wenig nach. Zu glatt wirkt plötzlich die Aufgabe des Lebenstraums einer Frau, zu einfach die Übergabe des Kindes von der Entführerin an die Mutter. Robotham entschädigt aber damit, dass er selbst nach der Auflösung dieses Falles noch einen letzten Dreh aufbaut. So demonstriert auch die "Normale" zum Schluss des Buches, dass sie bereit ist, ihre Welt gegen mögliche Anfechtungen zu verteidigen. Dennoch verfolgt sie ihren Weg mit den Mitteln, die in der "normalen Welt" legitim sind - mit List und Tücke. Aber auch sie handelt mit unehrlichen Mitteln. Manchmal trennt den Normalen nur die Wahl der Waffen vom Wahnsinnigen.

Die Rivalin

Michael Robotham, Goldmann

Die Rivalin

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