Krimi-Hörspiele:
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"Der kalte Onkel"

Wie einem beim Kalten Onkel warm ums Herz wird

Der RBB hat kurz nach der 1. Staffel von Caro ermittelt (Strudel) mit dem Kalten Onkel eine zweite Staffel in 12 halbstündigen Episoden veröffentlicht. Hauptperson ist wiederum Caro(line Labusch), die unbekümmert, neugierig und akribisch in ihrer Familiengeschichte ermittelt. Für Menschen, denen der RBB längeres Zuhören ohne Augentätigkeit nicht zutraut, bietet der RBB auf Youtube eine Audio-Video-Fassung an.

Der Inhalt

Ihre Mutter überbringt Caro am Telefon zwei schlechte Nachrichten: Onkel Jochen, 78 Jahre, ist gestorben. Das kann in dem Alter passieren. Aber er wurde von Amts wegen bestattet! Wie das? Jochen war immer das schwarze Schaf der Familie, aber das hatte er nicht verdient.

Caro beginnt zu ermitteln. Sie verfolgt die Stationen seines Lebens über Berlin, Potsdam, Paris, New York. Und wie in einem Kaleidoskop ergeben sich mit den gleichen Zutaten immer neue Bilder. Der verarmte, alte Jochen. Der schwule Onkel, der in der Pariser Kunstszene heimisch wird und in seinem Lover, die „beste Frau“ seines Lebens kennenlernt. Jedenfalls für kurze Zeit. Der junge Jochen, der Kunstmaler werden möchte und seine mangelnde Begabung, durch aufsehenerregende Kunstdiebstähle wettmacht.

Wieso landet Jochen im Armengrab, wo er doch adlige Verwandtschaft hatte und sein Großvater für kurze Zeit gegen Ende des 1. Weltkrieges Reichskanzler war?

Caro arbeitet sich von Episode zu Episode vor und der Hörer wünscht, es möge kein Ende haben, weil jedes Mal ein neues Bild entsteht.

Das Hörspiel

Die Produzenten bezeichnen Caro ermittelt als True-Crime Comedy. Tatsächlich basiert diese Staffel auf der realen Recherche von Caroline Labusch. Ein Krimi ist es nicht, weil es einen Toten gibt (der im Übrigen eines natürlichen Todes gestorben ist), sondern weil jede Episode einfach spannend ist und der Hörer seine Neugier nur durch Binge-Listening stillen kann. Comedy ist es, weil nichts Witziger ist als die Wirklichkeit. Eher verschmitztes Schmunzeln als Schenkelklopfen.

In jeder Episode ermittelt Caro an einem anderen, besonderen Ort in der großen weiten Welt (Berlin, Paris, New York, Künzelsau) und befragt unbekümmert teils skurrile Zeitzeugen, die dann im Original oder von ihren Partnern eingespielt werden. Caro spielt immer sich selbst, während Julia Jenkins und Rainer Sellien in erstaunlich viele Rollen schlüpfen. Aber auch die originalen Zeitzeugen tragen zum Erfolg bei. Wenn der Hörer erstaunt das Gesicht verzieht, spielt die elektronische Orgel, die dazu passenden Töne.

Die Regisseurin Marion (Rigoletto) Pfaus erinnert mit ihrer wirklichkeitsnahen, aber eben doch Kunstinszenierung ein wenig an Brecht. Sie schaut dem Volk aufs Maul, akzeptiert, dass manches Telefonat nicht zu verstehen ist oder die beiden Zweitstimmen, zweifelnd in das Skript reinsprechen.

Es ist nicht immer ganz leicht, die jeweiligen verwandtschaftlichen Beziehungen parat zu haben. Auch der zeitliche Zusammenhang erfordert Konzentration. Für manchen Hörer sind in den letzten Episoden die englischen Telefonate eine Herausforderung.

Für mich ist das Hörspiel vor allem eine Geschichte über Wirklichkeit und Wahrheit. Wieviel von dem Gespielten ist echt? Was ist Original gesprochen, was nachgesprochen? Studio oder Originalschauplatz? Caro ermittelt die Fakten und kommt der Wahrheit immer näher. Aber die Wahrheit hat viele Farben und Facetten und ist immer auch Wertung. Caro hilft, diesen unendlichen Wert zu verstehen. Aber Walser hat in einem seiner Romane schon darauf aufmerksam gemacht: Wenn etwas ist, ist es nie so, wie es gewesen sein wird.

Caro

Eine Figur wie Caro kann vielleicht nur aus Berlin stammen. Sie hat die richtige Spürnase, kann aber auch peinlich sein und über sich selbst lachen. Die Art wie Caroline Labusch ihre Caro spricht, ist unnachahmlich lebensecht, obwohl immer klar die Studiosituation zu hören ist. Aber vor allem ist Caro neugierig, geduldig und akribisch. Damit verkörpert sie Werte, die gerade Gefahr laufen, ins Antikenmuseum zu wandern. Gleichwohl nimmt sie die Haltung eines kleinen Kindes an, das die Welt vor allem wahrnimmt, wie sie ist und nicht schon weiß, was gut und richtig ist.

Einige Themen

Jochen ist eine schillernde Person und mehr als das Schwarze Schaf, dessen Träume und Visionen lange vor dem Armengrab enden. Er wirkt auf Menschen einnehmend und sympathisch, findet aber dennoch keine Bindung im und zum Leben. Sein Leben war ein ewiges Suchen.

Irgendwann hat ihn die Familie nicht mehr gesucht. Wie eng sind die vermeintlichen Familienbande? Binden Sie mehr als adlige Herkunft? Gelegentlich blickt Caro mit Schrecken auf die Geschichte ihrer Familie, wie wohl jeder, der diesen Schritt wagt. Höhen gibt es nicht ohne Tiefen.

Zu diesen Tiefen gehört das Begräbnis. Mit Grausen lauscht der Hörer den detailliert beschriebenen Vorgängen um eine Sozialbestattung.

Ein Interview mit dem berühmten Berliner Anwalt und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Christoph Ströbele zu den Kunstrauben (Ströbele muss nur in uralte Akten schauen) führt letztlich zu einer anspruchsvollen Erörterung zum Verhältnis von Recht und moralischen Grundsätzen.

Fazit

Dem Team ist ein hörspielerisches Kunststück der Extraklasse gelungen. Eine massentaugliche Klangkunst. Es ist spannend, witzig und gelegentlich etwas gruselig. Eine tolle Inszenierung, die zum Nachdenken anregt und Lust auf mehr macht.

Couch-Wertung: 95°

In der ARD Audiothek ab dem 05.02.2022

"Fear of the dark "

Hoffnung oder Horror

Am 05.02.2022 präsentierte der SWR dieses Hörspiel der Autorin Claudia Weber. Die ARD Hörspieldatenbank listet es als Kriminalhörspiel auf. Eine der aktuell wenigen Neuproduktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Autorin komponierte die Musik und führte auch Regie. Eine echte Allrounderin. Der Deutschlandfunk kündigte das Hörspiel als „zeitgemäßes, innovatives, radiophones Hörstück“ an.

Der Inhalt

In einer unbestimmten Zeit hat jeder, der etwas auf sich hält, das Smartphone Electra High Rise, weil nur dieses Gerät über die App planplay verfügt. Diese App verspricht eine Zukunft frei von Sorgen und Ängsten und eignet sich schon für Kinder. Der Vertriebler Jon Zappo möchte daher einen Rahmenvertrag mit den Kultusministerien schließen und die App allen Erstklässlern zur Verfügung zu stellen.

Doch Widerstand regt sich. Ein Hochschulprofessor verweist auf Studien, die die gesundheitlichen Risiken dieser Nutzung belegen. Er wird Jons Widersacher.

Aber auch andere sehen die allmächtige Nutzung des Smartphones skeptisch. Ein Zugführer entführt einen vollbesetzten Zug auf ein Nebengleis und verlangt die Herausgabe der Handys.

Als er tot aufgefunden wird, wird aus der Story ein Kriminalfall für die Polizei.

Doch nicht nur die Polizei ermittelt. Eine Kindersendung des Rundfunks ermuntert die Kleinen ihr Electra High Rise zu nutzen und mit der App plan play zu spielen. Mehr zufällig geraten die Kinder zum entführten Zug und dem toten Lokführer. Dank plan play kommen sie immer mehr der Wahrheit auf die Spur. Jons Tochter ist unter ihnen und erzählt dem Papa stolz von der Lösung des Kriminalfalles. Tatwaffe war ein KFZ-Kennzeichen.

Das Hörspiel

Das Hörspiel spielt in naher, unbestimmter Zukunft. Die beschriebenen Techniken können schon heute oder wenigstens bald so auch kommen. Es ist also keine Zukunftsvision oder Dystopie, sondern eine mögliche Realität.

Die Geschichte wird in verschiedenen, miteinander verwobenen Strängen erzählt.

Der Vertriebler, der seinen Rahmenvertrag mit den Ministerien aushandeln will und sich mit einem kritischen Professor rumschlagen muss.

Die unkritischen Radiomoderatoren, die spielerisch den Kindern die App nahebringen und sie immer tiefer in eine ernste, gefährliche Welt stürzen.

Der durchdrehende Lokführer, der unglücklich über den Praktikanten ist, ihn aber letztlich doch braucht.

Die Polizei, die den rätselhaften, unwirklichen Tot des Lokführers nur dank der Aussagen eines Praktikanten lösen muss.

Der Hörer muss konzentriert lauschen, um den Faden nicht zu verlieren. Die verschiedenen Spielorte bringen Abwechslung und jeweils andere Perspektiven ein, sind aber oft sehr holzschnittartig inszeniert, wie der Vertriebler, die Moderatoren oder der Professor. Viele Stimmen sind schwer wiederzuerkennen. Die Rolle des Praktikanten ist wenig glaubwürdig. Zu Beginn eher unlustig und leger, gegen Ende wird er zur zentralen Figur des Hörspiels.

Abgesehen von der Radiosendung hält sich die Musik eher im Hintergrund. Auf den Musiktitel Fear oft the dark von Iron Maiden wartet man jedenfalls vergeblich.

Das Anliegen

Der vollständige Titel des Hörspiels lautet: Fear of the Dark – oder Die Offenbarung wird Produktplatzierungen enthalten. Nun kommt es im Hörspiel nicht zur Endzeit der Menschheit. Aber die Warnung der Autorin vor den Gefahren des Smartphones und allmächtiger Apps sind unüberhörbar. Die neutrale Polizei, naive Radiomoderaten, ehrgeizige Vertriebler tragen alle zur Verharmlosung bei. Dieses Anliegen ist mehr als berechtigt und macht allen Sorgen. Allerdings überlädt die Autorin das Hörspiel mit den vielen Nebenthemen und -szenen. So bleibt am Ende ein großes Fragezeichen bei der Einordnung und der zentralen Aussage.

Fazit

Auch wenn die Grundidee gelungen ist, ist das Hörstück weit davon entfernt, innovativ oder radiophon zu sein. Das berechtigte Anliegen wird durch den Versuch, möglichst kunstfertig zu sein, weitgehend in den Hintergrund gerückt. Vielleicht hat sich die Autorin hier einfach zu viele Rollen gegönnt.

Couch-Wertung: 60°

In der ARD Audiothek ab dem 05.02.2022

"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 8" von Malte Stamer, 03.2022
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Fotos: istock.com / tolgart

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

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