Krimi-Hörspiele:
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"Die zwei Gesichter des Januars"
Ein neues Highsmith - Hörspiel
NDR und SRF kümmern sich liebevoll um das Erbe der längst verstorbenen Suspense-Autorin Patricia Highsmith und haben nun, Anfang 2024, wieder einen Highsmith bearbeitet. Nach den älteren Ripley – Stücken sind in den letzten Jahren eine Reihe von Einzelgeschichten aus den 1960-er Jahren bearbeitet worden. Die „Zwei Gesichter des Januars“ sind als Kurzgeschichte 1962 zuerst in London, 1966 dann auf Deutsch erschienen. Erst 2014 ein internationaler Spielfilm unter dem gleichnamigen Titel. Die Autorin hat hart an der Veröffentlichung arbeiten müssen. Mehrmals wurde ihr Manuskript abgelehnt.
Inhalt
Der reiche Spekulant Chester MacFarland hat nicht nur ein Problem. Seine Kunden wollen ihr Geld zurück und die Polizei ermittelt gegen seine Firma. Der Amerikaner flüchtet auf die Schnelle mit seiner attraktiven Frau Colette nach Griechenland. Doch Chester wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Ein griechischer Polizist taucht im Hotel auf und befragt ihn detailliert in seinem Hotelzimmer. Chester wird nervös und es kommt zu einem Handgemenge, bei dem der Polizist durch einen Sturz tödlich verletzt wird. Als Chester und Colette ihn beseitigen wollen, taucht im Flur ein junger Amerikaner auf und hilft ihnen. Rydal Keener hat die beiden schon ein paar Tage beobachtet, weil der Mann ihn an seinen Vater erinnert und ihn die junge, fröhliche Frau anzieht. Da Keener zudem noch Griechisch spricht, lässt sich Chester von ihm helfen. Sie fliehen aus dem Hotel überstürzt nach Kreta. Keener kann einen falschen Pass besorgen und kennt sich aus. Doch das Glück wendet sich erneut. Keener und Colette kommen sich näher und Chester beschließt den Mitwisser und Nebenbuhler bei einem Besuch des Palastes von Knossos zu töten. Doch stattdessen tötet er versehentlich Colette. Nun fliehen Chester und Rydal. Sie sind beide durch eine hohe Abhängigkeit und abgrundtiefen Hass verbunden. Es beginnt eine Katz-und Mausspiel voller falschen Fährten und Wendungen, das erst in den alten Pariser Markthallen zu einem unerwarteten Ende führt.
Das Hörspiel
Das zweiteilige Hörspiel ist ein Kammerspiel. Trotz einiger dramatischer Szenen werden Flucht und ständige Ortswechsel ruhig in gesetzten Worten und Tönen berichtet. Eine Erzählerin unterstützt den Hörer, sie wird durch leise Klaviertöne begleitet. Dies ermöglicht dem Hörer, sich auf die Dialoge und die anspruchsvolle Sprache der Highsmith zu konzentrieren. Dabei wird das Hörspiel unversehens auch zu einer nostalgischen Zeitreise in den Januar des Jahres 1960. Die wenigen Touristen wurden noch hofiert, falsche Pässe zu besorgen war kein Problem. Man lebte in den besten Häusern.
Im Mittelpunkt des Hörspiels stehen aber die beiden Hauptpersonen. Durch äußeren Druck aneinandergebunden, begeben sie sich in gegenseitige Abhängigkeit. Ihre Entscheidungen sind nicht frei, beide sind wankelmütig. Sind sie eine Figur mit zwei Gesichtern wie der Januar, der seinen Namen vom zweiköpfigen Gott Janus hat? Bei aller Psychologie bleibt es immer ein auch spannender Krimi.
Den Sprechern von Chester, Rydal und Colette gelingt es, die Charaktere dem Hörer nahezubringen. Ihre Sprache ist deutlich gehoben, kein Alltagsslang. Es gibt kein wirkliches Griechenland-Feeling, die Griechen sprechen Deutsch mit kräftigem Akzent. Auf Dauer ist das nervig. Die entscheidende Schwäche des Hörspiels ist die literarische Vorlage. Es ist wohl kein Zufall, dass es mehrmals abgelehnt wurde. Es strotzt nur so von Unwahrscheinlichkeiten. Pässe und Auftragsmörder kann man problemlos am Kiosk besorgen. Die Polizei ist dauernd hilflos und Chester lässt sich immer wieder von Rydal entdecken, obwohl er eigentlich vor ihm flieht. Da muss der Hörer schön Freude an den Tiefgründigkeiten haben, um die zweieinhalb Stunden auszuhalten.
Fazit
Highsmith-Freunde werden ihren Genuss haben. Regie und Sprecher haben sich redlich bemüht, aber manchmal langt auch das nicht für eine gute Arbeit.
Couch-Wertung: 70°
ARD Audiothek
"Totbeten"
Haas, Felsenstein und Co. schlagen wieder zu
Der Hessische Rundfunk hat seit einiger Zeit das Team von Kommissar Hass, seinem Assistenten Teschenmacher sowie den beiden Vorzimmerdamen Felsenstein und Rettich fest etabliert. Die beiden sorgen mit ihrem leicht hessischen Dialekt für die regionale Verankerung. Der 185. Radio Tatort ist immerhin bereits die 8.Episode mit diesem Team und im Jan. 2024 erschienen. Autor bleibt der renommierte Autor Martin Mosebach, der wegen seiner politischen Haltung nicht unumstritten ist. Regie führt der unermüdliche und überaus erfolgreiche Hausregisseur Leonard Koppelmann.
Inhalt
Im Vorzimmer des Kommissar Haas gibt es anonyme Anrufe. Die reiche Kückelhorn solle getötet werden. Haas hat Besseres zu tun. Mitten im internen Umzug ist er froh, seine Unterlagen wiederzufinden. Doch Felsenstein wird skeptisch und informiert den Assi Teschenmacher. Tatsächlich ist eine Frau Kückelhorn vor ein paar Tagen gestorben. Allerdings offenbar natürlich. Kückelhorn war alt und vermögend, Diabetikerin und lebte allein. Am vertrautesten war sie noch mit ihrem Notar, weil sie häufig ihr Testament änderte. Bis vor kurzem zugunsten einer Sektenführerin, der sie lange folgte, aber sich kurz vor ihrem Tod lossagte. Nun wird Haas neugierig, schaltet sich ein und begibt sich zur Sekte. Wollte die Sekte die Abtrünnige totbeten? Oder besser gesagt: Sie eigenhändig töten? Die Obduktion weist Unstimmigkeiten bei der Insulinspritzung nach. Hat der Neffe, ein gelernter Krankenpfleger, etwas nachgeholfen? Er war immerhin der zuletzt verfügte Erbe? Mit Glück, Geduld und Akribie wird auch dieser Todesfall geklärt.
Das Hörspiel
Die Episoden um das Frankfurter Team haben längst ihren eigenen Ton gefunden. Das Regionale ist eher angehaucht, die Themen finden sich zumeist in der Welt der Reichen und Überdrüssigen. Die Kommissare klingen und handeln lebensecht, der Hörer folgt ihnen gerne. Die beiden Vorzimmerdamen sind ein Side-Kick, der in seiner Charakterisierung nicht mehr zeitgemäß ist. Allerdings spielen sie in dieser Episode eine ausgesprochen tragende Rolle. Der Text ist an keiner Stelle bierernst, ohne platt oder plump zu wirken. Dialoge gehen vor Action. Viele Spuren und Verdächtige, aber keine Klarheit. Eine sektiererische Menschenfängerin, ein tiefgefallener Neffe 3. Grades und eine anonyme Anruferin. Stellt sich anfangs die Frage, ob jemand und wenn ja, wer den Tod verursacht hat; kommt am Ende noch die Frage eines möglichen Wie auf. Totbeten kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Mosebach stellt hier jede Form von Scharlatanerie in Frage, zeigt aber auch wie verfänglich Menschen sein können.
Fazit
Die Hörergemeinde des Teams geht weit über Hessen hinaus und hat seine eigenständige Rolle im Tatort-Ensemble gefunden. Ein angenehm zu hörender Krimi, der ein leichtes Lächeln im Gesicht erzeugt.
Couch-Wertung: 85°
ARD Audiothek
"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 39" von Malte Stamer, 04.2024
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Fotos: istock.com / tolgart
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