Krimi-Hörspiele:
Mediatheken / 38

"Laim, mon amour"

Radio Tatort 184 aus München

Der Münchner Tatort tut sich schwer mit seinen Autoren. Nach dem Abschied von Franz Dobler hat Su Turhan die neue, private Ermittlerin Yanina Adler, in München lebend, eingeführt. Bei der zweiten Episode mit ihr hat nun die bewährte Autorin Katja Röder (Melitta und Stern, SWR-Tatorte) das Heft in die Hand genommen.

Inhalt

Oscar Wenger, 92 Jahre alt und ein ehemaliger Wirtschaftsprüfer, ist geistig rüstig, aber pflegebedürftig. Der Pflegedienst schickt ihm die junge Maja, die schnell Gefallen an diesem vornehmen Herrn findet. Er hilft ihr bei der Prüfungsvorbereitung und ist gut gelaunt, wenn ihn seine Schmerzen nicht quälen. Doch eines Morgens wird Wenger tot aufgefunden. Als sich herausstellt, dass Wenger reich war und Maja seine Alleinerbin wird, schaltet die Kripo die Rechtsmedizin ein. Und es findet sich eine Einstichstelle. Eine genaue Blutanalyse belegt auch, dass Wenger Rauschmittel genommen haben muss, die ihm nicht verschrieben wurden. Hat Maja ihn mit Insulin getötet? Die verzweifelte Maja bittet Yanina Adler um Hilfe. Yanina ist vom Kommissar Tekin beauftragt worden, mögliche andere Erben zu suchen und musste Maja befragen. Doch Maja gerät immer mehr in Probleme. Kurz vor Wengers Tod hat sie bei einer anderen Kundin Insulin entwendet. Und offenbar hat sie Wenger mit Drogen versorgt, um die Schmerzen zu lindern. Aber kann Yanina ihr helfen? Die gräbt tief in der Familiengeschichte Wengers. Wenger wurde in der Nazizeit als Findelkind ausgesetzt und ist durch die Pflegeeltern reich geworden. Offenbar war die leibliche Mutter in einer „Nervenheilanstalt“ eingesperrt. Yanina bohrt immer tiefer. Aber hilft dies Maja, die immer stärker von ihrem geldgierigen Freund bedrängt wird.

Das Hörspiel

Katja Röder hat die Ermittlerin erfolgreich weiterentwickelt. Yanina steht mehr im Vordergrund, der Kommissar Tekin ist nur noch Staffage. Sie ermittelt ernst und systematisch, setzt weniger auf jugendliche Kontaktfreude. Die Story spielt in München, aber nicht in der Upper-Class, sondern in Durchschnittswelten. Die Autorin spielt mit dem Zuhörer: Es fehlen direkt spannende Szenen, doch der Hörer sympathisiert immer mehr mit Maja. Sie darf es nicht sein. Aber die Belastungsmomente werden immer stärker. Entlastendes hört man nicht. Aber viele Szenen, die den Hörer berühren: Der Umgang mit psychisch Kranken in der Nazizeit, die unzureichende Betreuung Pflegedürftiger.

Es gibt auch weniger ergreifende, bedenkenswerte Szenen: Die ausufernde Bürokratie, der Stress der Pflegekräfte. Auch Entspannungsmomente fehlen nicht: Der etwas schwierige Vogel Levi oder eine nette Telefonschleife.

Es wird viel in Zeit und Raum gesprungen, also konzentriert zuhören. Die Sprecher machen ihren Job bestens, insbesondere Maja gewinnt die Ohren für sich. Durch ihre einnehmene Art, ihre systematische Arbeit gelingt ihr eine unerwartete Auflösung des Falles. Das Hörspiel ist mehr als eine Liebeserklärung an den Münchner Stadtteil Laim. Eine Ode an das Leben.

Fazit

Auf diesem Weg darf Yanina Adler gerne weiter ermitteln. Ein wenig politische Bildungsarbeit, viel Reflexion über Alltagserfahrungen und ein ausgesprochen gelungener Plot.

Couch-Wertung: 90°

ARD Audiothek

"Mord in fünf Tagen"

Ein Hörspielwerkstatt-Podcast

Der Bayerische Rundfunk erfreut seine Hörer nicht nur mit Holmes-Klassikern aus den 1960-er Jahren, sondern wagt auch Experimente. Im Januar 2024 veröffentlicht BR2 einen fünfteiligen Podcast, in dem zwei angesagte junge Autoren sich der Challenge stellen, innerhalb von 5 Tagen ein Kriminalhörspiel im Retro-Stil zu produzieren. Die beiden haben keine Ahnung von Nichts und dürfen künstliche Intelligenz und Experten zu Rate ziehen.

Die Episoden

Der Aufgabe stellen sich die Comedian Janina Rook und der BR-Netzexperte Christian Schiffer.

Die Beiden berichten in fünf Episoden über ihr Vorgehen. Die KI (ChatGpt) sitzt am „Katzentisch“ und unterstützt sie. Im Episode 1 holen sie sich Rat beim Wissenschaftler Prof. Stefan Neuhaus. Der hat ein anspruchsvolles Buch über Krimis geschrieben. Allerdings kommen in dem Buch so wichtige Autoren wie Friedrich Glauser oder Patricia Highsmith gar nicht vor. Ebensowenig Hörspiele. In Episode 2 berät der Erfolgsautor Volker Klüpfer (Kluftinger) die Beiden über die großen Linien eines Krimis. Allerdings hat auch Klüpfer noch nie ein Hörspiel geschrieben. In Episode 3 lauschen beide dem speziellen Charme der Retro-Krimis. Für die Feinheiten holen sich beide in Episode 4 Rat bei der Anne M. Keßler. Diese Autorin hat ausgesprochen erfolgreiche Hörspielreihen, allerdings teilweise mit grauenhaften Dialogen geschrieben und noch nie einen Krimi. Episode 5 ist dann eine kleine Generalprobe. Mit Schauspielern, Geräuschemachern und allem, was man für die finale Umsetzung braucht. Episode 6 ist dann das erfolgreich beendete Kriminalhörspiel: Die Blondierung des Todes

Die Zielgruppe

Der Podcast wendet sich an gut gebildete Jugendliche, die in der Welt der Besserverdiener zu Hause sind. Der Hörer sollte den entsprechenden Slang kennen und nicht an Wort wie flashen oder spicy scheitern. Das Bewertungspotential schwankt zwischen mega, toll und super. Neben diesen Wörtern kommt gleich: Ich. Gefühlte alle zwei Minuten wird über die eigenen Witze gekichert. Aber gelegentlich lassen die Protagonisten dann doch ihre Bildung raushängen.

Der Arbeitsprozess

Die Idee, Neulinge mit Hilfe der künstlichen Intelligenz ein Hörspiel schreiben zu lassen, ist erstmal packend und lehrreich. Dabei gelingt es dem Team überzeugend, die Grenzen und Stärken der KI für diesen Zweck zu vermitteln. Ein wichtiger Denkanstoß. Janina ist eher skeptisch und Christian optimistisch. Einen künstlich erzeugten Freddy Mercury lehnt Janina vehement ab. Der Hörer bekommt insgesamt ein glaubwürdiges Bild von der Produktion eines Hörspiels. Leider ist die Auswahl der Experten nur Staffage. Jeder der vielen Hörspiel-Kurse im Netz bietet in kürzerer Zeit mehr und differenziertere Information. Wie die Beiden nun zu ihrem eigentlichen Text kommen, bleibt verborgen. Wie und wann haben sie tatsächlich geschrieben? Haben sie die Arbeit geteilt oder über jeden Satz diskutiert? Im Abspann tauchen dann auch noch weitere Autoren auf. Was war ihr Anteil? Die beständige Tiefstapelei hätten die Beiden auch nicht nötig.

Die Blondierung des Todes

Das Hörspiel ist durchwachsen. Es beginnt langatmig, die Figuren sind Klischees. Immerhin ist diese Groteske unterhaltsam und tatsächlich Retro. Die Handlung ist okay, immer wieder neue Ideen und Twists. Die Idee eines Livestreams der Mordermittlungen per Internet oder die Telefonate mit dem Assistenten sind einfallsreich. Eine Rückblende fängt die jugendliche Euphorie um Freddy Mercury in München glaubhaft ein. Der starke bayerische Einklang wird es den Nordlichtern unter den Hörern schwer machen. Auch der junge Hörer wird nicht jeden Gag witzig finden. Professionelle Arbeit hört sich dann doch anders an.

Fazit

Podcast und Hörspiel wenden sich an eine kleine Community gutwilliger Zuhörer. Ob der BR damit diese Zielgruppe auch berührt, sei dahingestellt. Als Experiment okay, aber auch nicht mehr.  

Couch-Wertung: 65°

ARD Audiothek und bei den gängigen Podcastdiensten

"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 38" von Malte Stamer, 04.2024
Hier findest Du noch mehr Tipps zu Krimi-Hörspiele: Mediatheken

Fotos: istock.com / tolgart

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