Krimi-Hörspiele:
Mediatheken / 33

"Ballade einer vergessenen Toten"

Keine leichte Kost von Liza Cody

Der NDR hat im Sommer 2023 ein Hörspiel der britischen Autorin Liza Cody produziert. Dies ist die dritte Hörspielbearbeitung nach Romanen von Cody. Die Vorlage erschien bereits 2011 auf Englisch unter dem passenderen Titel The Ballad of a Dead Nobody, die deutsche Übersetzung wurde 2019 veröffentlicht. Regie führt der Autor und Hörspielregisseur Sven Stricker. Seine Fans warten bisher vergeblich auf eine neue Geschichte um Sörensen.

Inhalt

Der Partner von Amy hat sie sitzen lassen. Er ist erfolgreicher Schriftsteller, sie blieb erfolglos. Deprimiert liest sie, einsam im Café sitzend, einen Artikel über die Musikerin Elly Astoria. Die war in den 1980-Jahren ein Shooting-Star, wurde aber brutal am Beginn ihrer Karriere ermordet. Der Täter wurde nie ermittelt. Könnte eine Biografie dieses Lebens und Todes ein Neustart für Amy sein?

Zaghaft beschäftigt sich Amy mit dem kurzen, abenteuerlichen Leben der Elly. Sie recherchiert, liest, telefoniert und dringt immer mehr in das aufregende Leben von Elly ein. Ja, das könnte der richtige Weg sein. Sie nimmt Kontakte zu ihren Begleiterinnen aus der Frauenband auf. Die ehemaligen Musikerinnen leben heute verstreut und ohne Kontakt zueinander. Amy fährt nach Brighton, Southampton, L.A. und führt intensive Interviews. Die hochsensible Elly war in eine üble Musikszene voller Neid und ungesundem Ehrgeiz geraten.

Die Musikerinnen kämpfen bis in die Gegenwart um Anerkennung und verlorene Tantiemen. Das korrupte Management hat erst nach Ellys Tod das große Geld gemacht. Entwickelt sich die Arbeit an einer Biografie zu einer Mordermittlung? Es gibt mindestens 5 Personen, die Täter sein könnten und ein paar von Ihnen wollen Amy erpressen, obwohl der Mord dreißig Jahre zurückliegt.

Das Hörspiel

Es ist kein einfaches Hörspiel. Der Einstieg mit den vielen Namen und Rückblenden fällt nicht leicht. Aber vermutlich ist biografische Spurensuche genau so. Da gibt es keinen klaren Weg, keinen eindeutigen Charakter und die Einzelteile müssen erst mühsam zusammengesetzt werden, damit sie ein fertiges Puzzle ergeben. Und manchmal sitzt immer noch jemand auf dem fehlenden Teil.

Es gibt die Erzählerin, kurze Monologe, jede Menge Rückblenden und 14 SprecherInnen. Wer tapfer den ersten Teil gehört hat, erlebt im zweiten Teil einen richtig spannenden Krimi mit vielen Appetithäppchen fürs Ohr: Interviews, Telefonate, abgehörte Bänder oder Lesungen und dann noch so hörenswerte Orte wie Bristol mit See und Möwen oder Los Angeles mit traurigen Buden und protzigem Flughafen. Die Autorin jongliert mit unterschiedlichen Erzählweisen und die Regie setzt dies kongenial um. Naheliegender Weise spielt Musik eine große Rolle.

Gelegentlich ist es der Nebengeräusche zu viel. Überhaupt möchte die Autorin sehr viel. Es soll Krimi und Biografie sein. Es geht um die neidbesetzte Musik-Szene und rücksichtslose Manager. Um Drogen und Liebe, rüpelhafte Machos, schüchterne Talente aber auch um Zwillingsneid und eine zarte Liebesgeschichte zwischen alt und jung. Die Personen verbindet am Ehesten die Suche nach sich selbst, nach der Identität.

Die Sprache die Cody verwendet, ist differenziert, manchmal ordinär. Einige Figuren sind komplex und tiefgründig, dann gibt es Szenen mit Menschen, die es so nur in Groschenromanen gibt. Da hätte die Bearbeitung ruhig einiges glatt bügeln dürfen. Vielleicht es auch nur zu hören, dass der Text schon mehr als 20 Jahre alt ist.

Fazit

Eigentlich eine Zumutung für den Hörer. Aber wer den Mut aufbringt, die Ohren zwei Stunden zu spitzen, wird durch eine perfekte Inszenierung belohnt.

Couch-Wertung: 75°

ARD Audiothek und NDR

"Dunkelbiertod"

Episode 3 um Melitta und Stern

Unangekündigt erscheint im Sommer 2023 die dritte Episode um die adlige Autistin Melitta und ihren Gehilfen Stern, den Gärtner. Ein Regionalkrimi mit unüberhörbar fränkischem Zungenschlag. Produziert vom BR, geschrieben von der routinierten und offenbar tief im fränkischen verwurzelten Katja Röder.

Inhalt

Alfons Stern leidet. Mit seinen Kumpels hat er am Vorabend das eine oder andere Dunkelbierfässla der Bamberger Traditionsbrauerei Goldschmied geköpft. Doch irgendwas stimmt nicht, einer seiner Freunde liegt auf der Intensivstation. Das lässt der Baronin und Autisten Melitta keine Ruhe. Sie treibt eines der benutzten Fässla auf und die polizeiliche Ermittlung ergibt: Verseucht mit gefährlicher Natronlauge. Nun nimmt auch die Polizei ihre Arbeit auf. Aber wer macht so etwas? Die junge attraktive Brauereichefin Althaus ist ratlos, wie es passieren konnte. Allerdings wurde erst vor kurzem der langjährige Braumeister entlassen. Oder ist es die ältere Chefin der lokalen Konkurrenz, die auch gern Bierkönigin werden möchte? Und dann taucht noch ein jüdischer Student auf, dessen Vorfahren offenbar zur Nazizeit Besitzer der Brauerei waren. Melitta intensiviert ihre eigenen Ermittlungen als einen Toten gibt.

Es stellt sich heraus, dass sich der neue Braumeister mit gefälschten Papieren beworben hat und bisher für die Konkurrenz arbeitete. Das Alibi des entlassenen Braumeisters stimmt nicht. Und dann hat auch noch ein Konzern Interesse, die Lokalbrauerei Goldschmied zu übernehmen.

Melitta mit ihrem unendlichen Gedächtnis und ihrer Unvoreingenommenheit ist gefordert.

Das Hörspiel

Das Hörspiel ist eine gelungene Fortsetzung der bisherigen Episoden. Ein sehr stark verankerter regionaler, spannender und unterhaltsamer Krimi. Melitta treibt die Handlung weniger durch ihre Geistesstärke als durch ihre Neugier und Penetranz voran. Das tut der Handlung gut. Der Hörer folgt immer neuen Pfaden und Personen, die sich aber alle in diesem speziellen Umfeld von Bamberg und Brauereien bewegen. Als da sind: der Kampf der lokalen Platzhirsche um die Marktherrschaft, das Vordringen gewaltiger Brauereikonzerne, die Rolle der lokalen Connections. Und es gibt noch die Einzelschicksale: Der Braumeister, der alkoholbedingt seinen Job verloren hat; sein ehrgeiziger Nachfolger; ein jüdischer Student auf den Spuren seiner Vorfahren. Und mittendrin die Brauereibesitzerin, die beginnt, an ihren Großeltern zu zweifeln und zugleich ihr eigenes Lebenswerk gefährdet sieht. Diese vielen kleinen Geschichten werden mit Liebe und Verständnis für die Menschen erzählt, ohne moralischen Zeigefinger.

Dem Hörspiel gelingt es so nebenbei, ein so schwieriges Thema wie die Aneignung jüdischen Besitzes durch Reichsdeutsche in der Nazizeit ohne moralischen Zeigefinger nahezubringen. Zur Wahrheit gehört auch, dass jahrzehntelang in Deutschland wenig Interesse bestand, dieses Unrecht aufzuklären.

Autorin, Regie und Sprecher überzeugen durchweg und es bringt einfach Spaß zuzuhören.

Übrigens: 2001 starb die 114-jährige Britin Amy Isabel Humes. Sie führte ihr hohes Lebensalter auf den regelmäßigen Konsum irischen Dunkelbiers zurück!

Fazit

Auch für Nicht-Franken ein vorzüglicher Hörspaß. Am bestens mit einem Gläschen Dunkelbier einer kleinen Lokalbrauerei unter einer schattigen Kastanie zu genießen.

Couch-Wertung: 85°

ARD Audiothek und BR

"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 33" von Malte Stamer, 12.2023
Hier findest Du noch mehr Tipps zu Krimi-Hörspiele: Mediatheken

Fotos: istock.com / tolgart

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