Krimi-Hörspiele:
Mediatheken / 2
"Der Cybercrime-Strudel"
True Crime meets Comedy
Es tut sich was bei den öffentlich-rechtlichen Medien: Rund um die Hauptfigur Caro soll im Spätherbst 21 eine Krimipodcast-Reihe unter dem Titel: „Caro ermittelt“ starten. Der Cyber-Strudel ist die erste veröffentlichte Episode. Produzent ist das Radio Berlin Brandenburg.
RBB stellt die Reihe als True Crime Comedy Hörspiel vor. Und die erste Folge enthält wirklich von allem etwas.
Der Inhalt
Caro, eine gescheiterte Kleinunternehmerin und jetzige Busfahrerin, liest eine Spam-Mail mit Google-Translator: Am liebsten bin ich sehr bedauern, dass sie plötzlich angesichts Lastkahnen, dass wir nicht wissen einander von ...! Genauer: Ange aus Afrika hat mehrere Millionen von ihrem Vater geerbt. Allerdings liegt das Geld derzeit auf einem Treuhänderkonto. Ange kommt nur daran, wenn sie eine Gebühr hinterlegt. Dies Geld hat Ange nicht und bittet Caro um eine entsprechende Zahlung. Caro hat zwar auch kein Geld, aber sie wird neugierig und lässt sich unter dem Fake-Namen Hanna Reusch auf den Deal ein. Vielleicht enttarnt sie den/die Betrüger?
Nun beginnt eine heiße Story voller Mails und Telefonaten mit Ange und einem Banker, zwischen Berlin und der Elfenbeinküste. Caro begibt sich in den Strudel der Ereignisse mit immer neuen Ideen und Forderungen der Betrüger. Allerdings verheddert sich auch Caro in immer neuen Ideen: Sie zaubert einen polnischen Freund hervor, überfällt angeblich eine Bank und muss ins Gefängnis, aber: Niemals Geist! Never mind.
Der Höhepunkt der Spannung wird bei einer Strudel-Bestellung in einem bayrischen Lokal in Abidjan erreicht. Am Ende muss sich Caro selber schützen, um nicht in kriminelle Aktivitäten verwickelt zu werden.
Das Besondere
Wie in einem klassischen True-Crime berichtet Caro, unterstützt von einer Freundin, über ihren ersten Fall. Man fühlt sich wie im realen Studio, wenn Caro gelegentlich die Regisseurin um Einspielungen bittet.
Caro zitiert Mails, gibt Telefonate und wenige andere wichtige Ereignisse wieder und kommentiert sie. Hauptsprecherin ist also Caro, die man sehr gut versteht. Die Autorin Caroline Labusch spricht diese Rolle selbst und sie macht das genial. Man glaubt sich mitten ins Leben versetzt, hört jede Stimmungsnuance als wäre man dabei. Selbst das Telefonat mit dem Restaurantchef in Abidjan klingt, als wäre es real. Man fühlt sehr schnell mit der sympathischen Caro, die zwischen Neugier und Angst hin- und hergerissen ist.
Neben der Handlung ist der Sprache eine Besonderheit dieses Hörspiels. Die Stimmen der vorgelesenen Mail oder Telefonat sind laut, leise, böse, lieb, kaum zu verstehen, mal Deutsch mal Englisch, auch Französisch, meist ein seltsames Google-Denglisch, das sich Caro aus dem Google-Übersetzer vorlesen lässt. Caro durchschaut den Google Übersetzungsalgorithmus und lernt die Worte so zu setzen, dass erst die Übersetzung einen Sinn ergibt: Ich Armbanduhr dich Englisch: I watch you!
Bei allem Mut zum Abenteuer ist Caro dennoch vorsichtig: Gelegentlich meldet sich die Stimme des Gesetzes. Diese Stimme aus dem Off erklärt ihr, dass es juristisch keine Fälschung ist, wenn man einen gefälschten Perso elektronisch verschickt. Man erfährt auch, dass über Moneygram nicht so einfach zwielichte Überweisungen möglich sind. (Der Verfasser dieser Zeilen hat dies allerdings nicht geprüft). Das lehrreiche Hörspiel ist also mehr als eine Warnung vor Cyber-Crime.
Was es noch zu sagen gibt
Das Hörspiel ist tatsächlich true, Crime und Comedy. Die Story ist wohl nicht echt in dem Sinne, dass sie einen wahren Fall berichtet, aber sie könnte so tatsächlich geschehen sein. Der Autorin gelingt es jedenfalls, die Geschichte spannend darzustellen. Auch wenn man gelegentlich nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, wenn man sich die Details anhört.
Offenbar macht die enge Zusammenarbeit der Autorin mit der Regisseurin Marion Pfaus die Stärke dieses Hörspiels aus. Es lohnt sich ihre anderen Arbeiten anzuschauen.
Und ja natürlich: Diese starke Frau Caro geht als Ermittlerin ihren eigenen klugen, witzigen Weg und spielt nicht einfach eine mit einer Frau besetzte Männerrolle.
Die Musik ist mit einer elektronischen Orgel und Trommel als Begleitung der Szenen, eher klassisch unterwegs. Passt aber gut zur Inszenierung. Und man hört schon an der Geräuschkulisse, wo sich Caro gerade befindet.
Fazit
Nicht jedem gefällt das viele Denglisch. Aber wer sich, wie Caro, auf ein Abenteuer einlässt, wird diese knappe Stunde voll Spannung und Sprachwitz genießen. Das Hörspiel ist ein Stück akustischer Kunst, das einen großen Hörerkreis verdient hat. Ich freue mich schon auf weitere Folgen.
Couch-Wertung: 90°
Der 12-teilige Podcast soll am 14.11.2021 starten. Auf RBB Kultur jeweils um 14.00 Uhr. Man kann dann den Podcast abonnieren. Weitere Info auf RBB Kultur.
"Der letzte Swipe"
Ein hingewischter Text
Der letzte Swipe ist das dritte Hörspiel von Ben Alexander Safier in der Radio-Tatort Reihe, produziert von Radio Bremen und erstmalig gesendet im September 2021.
Inhalt
Die 20-jährige Maria verabredet sich mit Fynn, den sie auf einer Dating-App kennengelernt hat. Nach einem netten Abend verabschiedet sich Fynn, klingelt aber kurze Zeit später bei Maria, weil er den Zug verpasst hat und bittet sie darum, in der WG übernachten zu dürfen. Ihre beiden Mitbewohnerinnen sind nicht da und Maria stimmt nach einigem Zögern zu. Am nächsten Morgen wird Maria ermordet und zerstückelt von einer ihrer Mitbewohnerinnen aufgefunden. Da die Mitbewohnerin Julia glaubt, die Stimme aus der Dating-App wiederzuerkennen, entscheidet die Kommissarin Yelda, sich in der Dating-App als mögliches Opfer selbst auf die Suche zu machen. Es klappt und Yelda verabredet sich mit dem möglichen Täter. Obwohl verkabelt und gut überwacht, gelingt es dem Täter Yelda zu entführen! Dem Kommissar Johnathan gelingt es aber dank der Hilfe seines Bruders, der tief in der lokalen Mafia verwurzelt ist, die Identität des Täters genau zu ermitteln. Es kommt zu einem spannenden Showdown mit unerwartetem Ausgang.
Die Inszenierung
Man kann dem Hörspiel sehr gut folgen. In vielen kleinen abwechslungsreichen Szenen wird die Handlung vorangetrieben. Die Dialoge sind mal ruhig, mal zügig, immer bringt es Spaß zuzuhören. Wie auch in den anderen Hörspielen von Safier ist die Sprache gespickt mit jugendlich modischem Slang. Trotz Hörerprotesten wird dem Engländer Johnathan nicht abgewöhnt, Englisch zu fluchen. Das muss man mögen, sonst wirkt es anbiedernd.
Yelda und Johnathan sind ein sympathisches Team, das sich frotzelt, aber konzentriert seinen Job macht. Das Verhör der beiden Mitbewohnerinnen ist eine dramaturgische Glanzleistung. Und dass Julia den Dater an der Stimme erkennt, ist auch eine passende Idee für ein Hörspiel. Schön ist, dass der Krimi durchaus Selbstironie hat. Eine nette Szene ist der Anruf von Johnathan beim Hammer Kollegen Latotzke. Er fragt nach, ob sie einen ähnlichen Fall schon gehabt haben und Latotzke wundert sich, dass Johnathan wirklich in ganz Deutschland herumtelefoniert, um nachzufragen.
Tatsächlich gibt es genügend Szenen im Hörspiel, die jeder Logik entbehren. So fährt Jonathan mit dem Fahrrad zur Arbeit, wird aber von seinem Bruder mit dem Auto abgefangen. Wo bleibt das Fahrrad? Auch dass der Bruder des Kommissars eine lokale Mafia-Größe ist, ist sicher nicht für jedermann überzeugend. Aber einem ansonsten spannenden Krimi verzeiht man ja auch sonst Schwächen.
Alle Sprecher machen einen brillanten Job. Allen gelingt es, den Figuren über den Text hinaus einen eigenen Charakter zu geben - das ist ja in den überwiegend kurzen Szenen nicht ganz einfach. Die Schwächen des Textes kann man den Sprechern nicht zuschreiben.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Ein wenig erinnert das Hörspiel an einen Crime Noir in neuem Gewand. Letztlich offenbart der Autor nämlich auch sehr konservative Positionen.
Die Grundstory, Mord als Folge einer Dating-App, ist eher aus der Klamottenkiste. Der Mafiosi-Bruder geht zum Kiosk, Waschsalon und zu einem Autohändler schon ist der Täter identifiziert! Wow. Und, ja natürlich wird man zum Mörder, wenn man eine kaputte Kindheit hatte. Yelda ist zwar eine Frau, verhält sich aber als ein männlicher Lonesome-Cowboy.
Vielleicht sollten Redakteure der Tatort-Reihe mal nachdenken, warum 50 Jahre alte Kriminalhörspiele von Radio Bremen vor dem aktuellen Radio Tatort in der Meistgehört Position sind. Einer schwachen Story helfen gute Regie und Sprecher nur bedingt.
Fazit
Wer unter 25 Jahren ist, es spannend liebt und sich nicht an mangelnder Logik stört, wird Gefallen an dem Hörspiel finden. Ebenso konservative Hörer, die schon immer wussten, dass Dating-Apps des Teufels sind. Alle anderen Hörern würde ich lieber an andere Produktionen außerhalb der Tatort - Reihe verweisen, die es , Gott sei Dank, immer noch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gibt.
Couch-Wertung: 60°
Ursendung:15.09.2021 / Das Hörspiel steht in der ARD Auditothek zum Download bereit.
"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 2" von Malte Stamer, 10.2021
Hier findest Du noch mehr Tipps zu Krimi-Hörspiele: Mediatheken
Fotos: istock.com / tolgart
Neue Kommentare