Ben Berkeley

»In der Realität ist das FBI eine ziemlich normale Behörde mit Snack-Automaten auf den Gängen und dem schlechtesten Kaffee.«

08.2013 Der öffentlichkeits-scheue Autor und FBI-Profiler hat sich bereit erklärt, unserem Redakteur Andreas Kurth ein paar Fragen zu beantworten. Auch wenn er dabei über seine Arbeit nur wenig erzählen durfte, freuen wir uns sehr, dass er sich Zeit dafür genommen hat.

Krimi-Couch: Ben Berkeley, Ich bin dein Mörder ist bereits Ihr zweiter Thriller. Was unterscheidet für Sie als Autor diese Stilform von einem »normalen« Kriminalroman? Und warum bevorzugen Sie diese Art des Schreibens?

Ben Berkeley: Für mich ist ein Thriller ein Buch, das von der Handlung getrieben wird, weniger von einer Whodunit-Mystery. Im Thriller kann der Leser in der Regel beide Perspektiven mitverfolgen, und da bei mir die Psychologie der Täter immer eine große Rolle spielt, ist für mich der Thriller das geeignetere Format.

»Mein Thema ist die Dunkelziffer ungeklärter Mordserien.«

Krimi-Couch: Warum sind es immer wieder Serienmörder, die den Lesern von Kriminalschriftstellern präsentiert werden? Reicht ein einfacher Mord nicht mehr aus, um ein spannendes Buch zu schreiben?

Ben Berkeley: Ihre Frage zielt auf das Mehr an Gewalt, Blut und Leichen? Für mich spielt das keine Rolle, vielmehr die Motive des Täters. Bei einem »regulären« Einzelmord liegen die Motive fast immer im Persönlichen: eine enttäuschte Liebe, Hass, Habsucht. Und in der Realität haben sie fast immer mit einer Gelegenheit zu tun, einem Zufall, wenn Sie so wollen. Mich interessieren die Täter, die gezielt vorgehen, ihre Taten planen. Und damit zunächst durchkommen. Mein Thema ist die Dunkelziffer ungeklärter Mordserien, was fast zwangsläufig bei einem Serientäter endet. Mit Spannung hat das ganze aus meiner Sicht rein gar nichts zu tun  auch ein Mord aus Eifersucht kann zu einem äußerst rasanten Plot gestrickt werden.

Krimi-Couch: Ihr Protagonist Sam Burke war viele Jahre lang für das FBI tätig. Was macht den Mythos aus, der die amerikanische Bundespolizei offenbar immer noch umgibt?

Ben Berkeley: Ich denke, auch hier liegt der Mythos in den Motiven begraben. Das FBI ermittelt bei den großen Fällen: exzessive Gewaltserien, Terror, Entführungen, organisierte Kriminalität. In der Realität ist das FBI allerdings eine ziemlich normale Behörde mit Snack-Automaten auf den Gängen und dem schlechtesten Kaffee, auf den Bürokraten hinsparen können.

»Ich brauche eine gewisse Konstanz im Leben.«

Krimi-Couch: Sam Burke und Klara Swell sind ein ziemlich ungewöhnliches Paar. Haben Sie ein reales Vorbild für diese beiden Figuren?

Ben Berkeley: Nein, überhaupt nicht. Zumindest keine Einzelperson. Beide sind sehr starke Charaktere, und gleichzeitig zu unterschiedlich – wie zu ähnlich. Eine komplizierte Konstellation, die ja auch immer wieder zu größeren Schwierigkeiten führt. Die beiden können nur hoffen, dass der Kater Gandhi etwas Ruhe in ihr häusliches Miteinander bringt. Für mich wäre das nichts, ich brauche eine gewisse Konstanz im Leben. In einem Punkt sind Sam und ich uns allerdings ähnlich: Auch ich besitze etwa 20 identische Hemden und tausche meine Socken grundsätzlich in einem Rutsch, damit ich beim Waschen nicht sortieren muss.

Krimi-Couch: Eine weitere prägende Figur ist Thibault Stein, der kauzige Anwalt. Hätte der nicht mal eine eigene Geschichte verdient?

Ben Berkeley: Das liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Ich lese alle Post von meinen Leserinnen und Lesern und verfolge auch die Kritiken  – von Profis wie Ihnen, aber auch in den Communities. Wenn ich den Eindruck habe, dass sich viele darüber freuen würden, kann ich mir das gut vorstellen – Thibault ist seit jeher eine meiner liebsten Figuren.

»Ein Serientäter entwickelt sich im Laufe der Zeit, bei den wenigsten gleicht der zehnte Mord exakt dem ersten.«

Krimi-Couch: Die Art, wie Sam Burke das Profil des Mörders erstellt, ist ziemlich ungewöhnlich. Sie benutzen in ihrem Buch sogar Skizzen zur Illustration dieser Methode. Können Sie unseren Lesern erklären, wie Burke im Einzelnen vorgeht?

Ben Berkeley: Jeder Profiler hat seine eigene Methode und die Schaubilder unterscheiden sich auch von Fall zu Fall, aber es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass Ermittler einem psychologischen Profil durch ein Schaubild eine logische Ordnung verleihen. Bei Toms Profil dreht sich alles um den Zusammenhang zwischen den Taten, in geografischer und methodischer, aber vor allem auch in psychologischer Hinsicht. Ein Serientäter entwickelt sich im Laufe der Zeit, bei den wenigsten gleicht der zehnte Mord exakt dem ersten. Diese Unterschiede geben oftmals den Ausschlag bei den Ermittlungen, daher die Grafik. Sie wächst im Laufe des Buchs, neue Erkenntnisse kommen hinzu, manche Schlussfolgerung muss über Bord geworfen werden. So entsteht ein visuelles Bild von der Täterentwicklung. Ich hoffe, meine Leser finden es spannend, so etwas einmal zu sehen.

Krimi-Couch: Kriminalromane, die in Amerika spielen, werden von vielen deutschen Lesern immer noch lieber gelesen, als Bücher mit Ermittlern und Protagonisten aus dem eigenen Land. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ben Berkeley: Ausnahmen bestätigen die Regel! Aber ich denke, dass jedes Land eine literarische Tradition hat, die ganz ähnlich wie eine Marke für bestimmte Merkmale steht. Ich vermute, die amerikanischen Krimis stehen für das Gegenteil des in Deutschland ja ebenso erfolgreichen – wenn nicht erfolgreicheren – Regionalkrimis. Slapstick hat beispielsweise im typisch amerikanischen Thriller nichts zu suchen. Aber womöglich ist die Antwort auch noch viel einfacher und es liegt an Hollywood. Was in gewisser Hinsicht eine traurige Antwort wäre.

Krimi-Couch: Zu Ihrer Art des Schreibens: Entwerfen Sie die komplette Geschichte, bevor es ans Schreiben geht? Oder lassen Sie während der Arbeit auch mal Zufälle zu? Und wie hat man sich überhaupt einen Arbeitstag von Ben Berkeley vorzustellen?

Ben Berkeley: Ich entwerfe die komplette Geschichte vorab, allerdings heißt das nicht, dass ungeplante Wendungen ausgeschlossen wären. Manchmal wollen die Charaktere partout nicht machen, was der Autor will. Und das ist auch gut so. Den Zufall allerdings würde ich als den Fressfeind des Kriminalschriftstellers bezeichnen, vor ihm müssen wir fliehen so schnell wir können. Was den Arbeitsalltag angeht: Ich schreibe in Blöcken, entweder ganz oder gar nicht. Während einer Schreibphase arbeite ich drei bis vier Monate nur am nächsten Buch und lehne alle anderen Aufträge ab. Dann geht es wieder ans Geld verdienen. Den nächsten Plot entwickele ich allerdings meist parallel

Krimi-Couch: Sam Burke und Klara Swell können es ja wahrscheinlich nicht lassen. Wann lesen wir also den nächsten Thriller mit diesem interessanten Ermittlerduo?

Ben Berkeley: Ich arbeite bereits am nächsten Fall, allerdings gibt es noch keinen konkreten Veröffentlichungstermin. Es bleibt also spannend.

Krimi-Couch: Vielen Dank, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben!

Das Interview führte Andreas Kurth im August 2013.

Dr. Drewnioks
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