Die Burg

  • Knaur
  • Erschienen: Februar 2024
  • 16
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Sabine Bongenberg
78°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2024

Die Moderne kann so gruselig sein wie das Mittelalter.

Willkommen zum ultimativen Escape-Room auf dem Gelände der historischen Burg Greiffenau! Zwischen Schinder- und Hexenturm oder aber im Pulver- oder Waffenturm werden Sie Abenteuer erleben, die Ihnen das Blut gefrieren lassen! Heimtückische Könige, hinterlistige Trolle, gefräßige Wölfe und eklige Krankheiten - alles können Sie live und in Farbe bestaunen und ihren finstersten Träumen sind keine Grenzen gesetzt!

Möglicherweise wird der eine oder andere aus Ihrer Gruppe allerdings nicht mehr zurückkehren und manchmal ist es doch erstaunlich, was sich so eine plötzlich von allen Zwängen befreite KI alles einfallen lässt, aber was werden Sie anschließend alles zu erzählen haben! Und was wird Sie noch in ihren schlimmsten Alpträumen heimsuchen!

Wenn sich der Geist aus der Flasche gegen dich wendet

Eigentlich hätte man es sich schon denken sollen: Große Parkeröffnungen sind, wie wir auch weiland von "Jurassic Park" lernten, doch gerne ein Spielfeld für ganz schrecklich fehlgeschlagene - aber ganz zu Anfang sicherlich gute - Ideen. Ursula Poznanski erzählt in ihrem neuen Roman vom superreichen Nevio, der so bekannt ist, dass er nicht einmal mehr einen Nachnamen braucht. Er kauft eine mittelalterliche Burg und pimpt diese mit so viel moderner Technik hoch, dass die ultimativ-gruselige Geisterbahn zum Mitmachen - oder auch der modernste Escape-Room aller Zeiten - entsteht. Gesteuert wird das Ganze natürlich von möglichst wenig Personal dafür aber von viel Technik - und auch wenn der Mensch sich diese grundsätzlich untertan gemacht hat, manchmal will das nicht so recht funktionieren.

Ursula Poznanski schickt einen wild zusammengewürfelten Haufen in das Abenteuer. Da sind ein Professor, der sich mit dem Leben im Mittelalter befasst, eine Influencerin mit vielen Followern, der gutaussehende, muskelbepackte D-Promi, eine ältliche Rätselkönigin und nicht zuletzt der Held der Geschichte: Maxim der Eigentümer einer kleinen Escape-Room-Kette. Er ahnt jetzt schon, dass sein eigenes, kleines Geschäft im Angesicht dieser Konkurrenz alsbald untergehen muss. Sie alle werden zu einer "speziellen" Vor-Eröffnung eingeladen. Sie alle gehen unterschiedlich mit den verschiedenen Gefahren um, die normalerweise nur in einem Gruselkabinett projiziert werden - aber hier auch teilweise real entstehen. Eine Autorin wie Poznanski versteht es natürlich dann auch, den Grusel hautnah umzusetzen. Alles, was uns am Mittelalter oder auch in den Fantasy-Romanen gruselig und fürchtenswert erscheint, wird hier ins Feld geführt; angefangen von den ersten kleinen Aussetzern der alles steuernden künstlichen Intelligenz namens "KIsmet" bis hin zur totalen Übernahme, wird ein fesselnder Spannungsbogen errichtet.

Ungeklärte Schicksale und unnötige Nebenfiguren

Mit dem Fortschritt der Handlung tut sich die Autorin aber auch zunehmend schwer, diesen Bogen zu halten. Irgendwann ist der/die Leser*in einerseits ein wenig an die ganzen Gruseleffekte gewöhnt, andererseits kommt er oder sie sicher nicht umhin sich zu fragen, wie einem die KI denn körperlich schaden will. Sicher - wenn diese in der Lage ist Raumtemperaturen, Zugänge oder auch Wasserzuläufe zu steuern, dann kann sie schon einen Haufen Unheil anrichten. Andererseits benötigt aber auch die bedrohlichste Holografie letztendlich einen menschlichen Arm, der ihre bösen Absichten ausführt, denn sie selbst ist ja tatsächlich Schall und Rauch. Hier trat irgendwann eine gewisse Ermüdung ein.

Dazu irritierten mich die Nebenfiguren, die Poznanski scheinbar ohne Sinn und Verstand mit in die Handlung schickte. Da wäre zum Beispiel Vivi, die nervige "ONS-Akteurin" des D-Promi Emil, die außer herumzuzicken und schlechte Stimmung zu verbreiten, offensichtlich keine größere Aufgabe hat. Was mich auch immer wunderte war, dass verschiedene Personen immer wieder mal aus der Handlung verschwanden, man das Schlimmste befürchtete, sie aber nach einer Auszeit erschöpft und ermattet wieder auftauchten. Es lässt sich auch nicht ganz verbergen, dass Poznanski sonst eher Jugendbücher schreibt. Mit dem Äußersten tut sie sich dann doch schwer - wobei das auch sicher nicht schlecht sein muss.

Wer sich jetzt fragt, warum die ganze Geschichte hier überhaupt in der Krimi-Couch besprochen wird: Zu guter Letzt löst sich die Erzählung und das ganze verworrene Knäuel doch im Zusammenhang mit einem Mord auf und hier muss man der Autorin letztendlich doch noch Respekt zu einer ungewöhnlichen, wenn auch sicherlich etwas verworrenen, aber besonderen Lösung aussprechen.

Fazit

Ursulas Poznanskis "Die Burg" hat alle Faktoren um den Leserinnen und Lesern tatsächlich das Fürchten zu lehren. Der Roman krankt aber ein wenig an der Länge der Handlung und an der Unentschlossenheit der Autorin. Ein visueller Alptraum bleibt am Ende nur eine Vorstellung des Geistes - die wirklichen Grauen spielen sich im realen Leben ab. 

Die Burg

Ursula Poznanski, Knaur

Die Burg

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