Nicht ein Wort

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2018
  • 3
  • New York: Dutton, 2017, Titel: 'Say nothing', Seiten: 440, Originalsprache
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2018, Seiten: 491, Übersetzt: Irene Eisenhut
Nicht ein Wort
Nicht ein Wort
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Sabine Bongenberg
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2018

 Liebling, wo ist gleich das eine Kind geblieben...?

Plötzlich steht das Schicksal seiner gesamten Familie auf dem Spiel, und Scott Sampson muss die schwerste Entscheidung seines Lebens treffen: Wird er Recht sprechen oder seine Familie retten?

Gewalt, die sich gegen die eigenen Kinder richtet, gehört sicherlich zum Albtraum aller Eltern. Generell versuchen sie, ihren Kindern Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Werden diese Bemühungen aber beispielsweise durch Gewalt torpediert, so erfahren Betroffene die eigenen Bemühungen als ohnmächtig und fruchtlos, erschwerend kommt dazu, dass sie feststellen müssen, dass sie offensichtlich nicht in der Lage waren, ihre Kinder vor der Welt zu schützen.

Auch der Arm des Gesetzes ist verletzbar

Diese Geschichte hat Brad Parks in seinem Thriller "Nicht ein Wort" aufgegriffen. Hier wird ein beruflicher "Arm des Gesetzes" - Richter Scott Sampson - vor die Entscheidung gestellt, entweder der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen oder alternativ seine Kinder wieder lebend in die Arme schließen zu dürfen. Eine Frage, die grundsätzlich keine Frage beinhaltet, dürfte doch jeder Vater hier vermutlich gleich entscheiden. Ungewöhnlich ist dennoch das Vorgehen der beteiligten Eheleute Alison und Scott, entscheiden sie sich doch dafür, keine Polizei oder keine stattlichen Ermittler hinzuzuziehen, sondern vielmehr den Fall auszusitzen oder - als das nicht so recht zu fruchten scheint - mit dilettantischen Mitteln selbst zu lösen.

Damit ist auch schon das Hauptmanko des Buches angesprochen: Der hilf- und ahnungslose Umgang mit dem Entführungsfall, der offensichtlich darauf angelegt ist, das zu tun, was die Entführer verlangen und dann wird alles gut enden. Woher diese Einsicht kommen mag ist vollkommen unklar, ebenso unklar bleibt, wie die Entführungsopfer das an ihnen verübte Verbrechen verarbeiten können, unklar bleibt nicht zuletzt, warum Eltern meinen, dass Kinder, die Opfer von Verbrechen wurden offensichtlich ohne Therapie oder ohne professionelle Unterstützung wieder zurück in ihr Leben finden können, vollkommen unklar bleibt, aus welchem Grund Eltern, die mit Rechtsprechung und damit auch mit der Untersuchung von solchen Fällen vertraut sein dürften, nicht einmal rudimentärste Schritte unternehmen, um beispielsweise Spuren zu sichern oder ein Versteck zu erfragen.

Distanzierte Betrachtungen, eigenartige Geschäftsmodelle

Parks präsentiert vielmehr Eltern, deren Motive und Emotionen seltsam distanziert und fremd bleiben, die vordergründig Besorgnis behaupten, sich aber tatsächlich in erster Linie weiterhin ihrem Leben widmen und somit dann auch - hin und wieder - sogar dankbar sind, wenn sie sich einmal Ablenkungen gönnen können.

Diese Konstruktion ist nicht dazu geeignet, Mitleid mit den Entführungsopfern zu aufzubauen, das dann die Basis für ein spannendes Mitfiebern bei der Verbrechersuche bilden dürfte. Warum sollte ein Leser mit entführten Kindern mitleiden, wenn es offensichtlich nicht einmal deren literarische Eltern glaubhaft tun? Parks schafft es nie, diese Distanz zu überwinden, genauso wenig, wie eine durchdachte Story abgeliefert werden kann. So scheint es offensichtlich zum Hobby der Täter zu gehören, bei jedem Ablegen einer Botschaft ein kleines Souvenir mitgehen zu lassen.

Die Gründe für dieses skurrile Verhalten bleiben jedoch außen vor, genauso wie offensichtlich die Namen der Bewacher der Entführungsopfer, die - regelmäßig und nervend wiederkehrend - nur als der "ältere Bruder" und der "jüngere Bruder" vorgestellt werden. Genauso nervig wie dieses unnötige Geheimnis um die Namensgebung wirkt teilweise das hilflose Herumgehampel der Eltern, das sich darin beschränkt, sich in Momenten, in denen klares Funktionieren die unabdingbare Prämisse ist, einen hinter die Binde zu kippen, unbewiesene Vorwürfe und hysterische Verdächtigungen zu äußern und ohne jeglichen Sinn und Verstand zu agieren.

Grundsätzlich wäre dieses Verhalten sogar noch nachvollziehbar, könnte es doch Eltern zugesprochen werden, die außer sich vor Sorge und somit nicht mehr Herr über logische Handlungen sind. Da Scott und Allison jedoch ansonsten in der Lage sind, ihr Leben zu regeln und in ihrem Beruf zu funktionieren, und sich noch Gedanken über die Fortsetzung der Karriere zu machen, können die Gründe für ihr sonstiges naives und unsinniges Verhalten wohl nicht in der Entführung ihrer Kinder begründet liegen.

Generell scheint der Autor aber der Auffassung zu sein, dass es bei einer Entführung - wie bei einem guten Geschäft - offensichtlich darauf ankommt, seine Seite des Geschäftes zu erfüllen und dann wird schon alles gut gehen. Offensichtlich wird nicht einmal in Betracht gezogen, dass es ebenso möglich ist, dass die andere Seite ihren Vertrag nicht erfüllt.

Kaum gelesen, schon vergessen

Bemerkenswert bleibt auch, wie schnell die Handlung dieses Romans dann wieder in Vergessenheit gerät. Wer sich genauer mit dem Autor befasst, erfährt, dass dieser seine Krimis bevorzugt in einem Fast-Food-Restaurant verfasst und dort den freien Cola-Zero-Refill und die inspirierende Atmosphäre rühmt. Gut - in diesem Zusammenhang muss dann vermutlich auch nicht die kurze Halbwertzeit dieses Romans überraschen. Oder kann sich jemand hier auf Anhieb erinnern, wann und wo er seinen letzten Hamburger vertilgte? Eben...

Nicht ein Wort

Brad Parks, Fischer

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