Gib’s zu, Fletch!

Film-Kritik von Marcel Scharrenbroich (06.2023)

Nicht auf den Mund gefallen

Basierend auf…

Der amerikanische Schriftsteller Gregory Mcdonald (1937 – 2008) schuf die Figur des Irwin Maurice Fletcher bereits 1974. Fortan werden wir ihn nur Fletch nennen, denn mit „Irwin“ und „Maurice“ hat der Gute so seine Probleme. Der mit sämtlichen Wassern gewaschen und durchgespülte Investigativreporter mit ausgeprägtem Faible für die L.A. Lakers traf auf Anhieb den Geschmack des Publikums. Dieser Umstand brachte Mcdonald für „Fletch“ den Edgar Allan Poe Award ein, die angesehenste Auszeichnung für Kriminal-Literatur. 1977 brachte der Ullstein Verlag das preisgekrönte „Fletch“-Debüt unter dem Titel „Opfer sucht passenden Mörder“ heraus. Spätere Auflagen trugen nur noch den Titel „Fletch“ oder „Fletch - Der Troublemaker“… doch dazu später mehr. Mit der 1976 in den Staaten veröffentlichten Fortsetzung „Confess, Fletch“ konnte Mcdonald ein Kunststück vollbringen, welches bis dato einmalig war. Er holte erneut einen Edgar. Diese wurde ebenfalls von Ullstein (1978) unter dem deutschen Titel „Mörder sucht passenden Sündenbock“ herausgebracht. Auch hier wurde der Titel später geändert. Die Neuauflage von 1984 hieß „Gestehen Sie, Fletch!“ und ist damit näher am ursprünglichen Originaltitel.

Insgesamt schrieb Gregory Mcdonald elf Romane über den gewitzten Reporter mit dem markanten Lakers-Basecap. Allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge. Die letzten beiden Bücher „Son of Fletch“ und „Fletch Reflected“, entstanden 1993 und 1994, stellten Fletchs Sohn John „Jack“ Fletcher Faoni in den Mittelpunkt, wurden aber bislang nicht ins Deutsche übersetzt. Des Weiteren schrieb Mcdonald zwischen 1977 und 2003 eine vierteilige Spin-off-Reihe mit dem Inspector Francis Xavier Flynn, der bereits im zweiten Roman „Confess, Fletch“ eingeführt wurde. Auch hier liegen keine deutschen Übersetzungen vor. Und jener zweite Roman liegt dem neuen Spielfilm „Gib’s zu, Fletch!“ zugrunde.

Tiefenentspannt unter Mordverdacht

Die Rückkehr in die Staaten hatte Fletch (Jon Hamm) sich wahrlich anders vorgestellt. Der freiberufliche Journalist und frühere Investigativreporter ist gerade erst aus Rom zurückgekehrt, da findet er im angemieteten Apartment die Leiche einer ihm unbekannten Frau. Als gesetzestreuer Bürger ohne Schuldbewusstsein ruft er natürlich gleich die Polizei. Sergeant Inspector Monroe (Roy Wood Jr.) und Frischling Junior Detective Griz (Ayden Mayeri) sehen in Fletch gleich den Tatverdächtigen, strapaziert er doch mit charmanter Sachlichkeit und fast schon arroganter Ehrlichkeit sogleich deren Nervenkostüm. Doch was war noch mal in Rom?

In Rom lernte Fletch die schöne Angela de Grassi (Lorenza Izzo) kennen, deren schwerreicher Vater, der Graf de Grassi (Robert Picardo), Fletch anheuerte, neun gestohlene Gemälde von unschätzbarem Wert wiederzubeschaffen. Während zwischen Fletch und Angela die Funken flogen, erfuhr die Milliardärs-Tochter, dass ihr Vater von Unbekannten entführt wurde. Die Kidnapper forderten nicht etwa Lösegeld, nein. Sie wollten einen Picasso aus der Privatsammlung des Grafen. Zu dumm, dass das Gemälde sich unter den gestohlenen Bildern befand. Angela verdächtigte zuerst die ihr verhasste Gräfin (Marcia Gay Harden), die ihren Vater Angelas Meinung nach nur aus Geldgier geheiratet hatte. Doch Fletch hatte bereits die Spur des Diebesgutes aufgenommen. Sie führte ihn zum zwielichtigen Kunsthändler Ronald Horan (Kyle MacLachlan)… dem Hauptverdächtigen, wegen dem es Fletch zurück nach Boston zog.

Nun ist es an Fletch, der tief in die Trickkiste greifen muss, um die gestohlenen Gemälde zu finden, Angelas Vater zu retten und sich vom Mordverdächtigen reinzuwaschen. Als wäre dies nicht genug, steht auch noch die anzügliche Gräfin vor der Tür und nistet sich bei Fletch ein, während dieser Bekanntschaft mit zugedröhnten Nachbarn, windigen Vermietern und EDM-liebenden Kunsthändlern macht. Stets unter Beschattung der Cops Monroe und Griz. Und diese haben nur eine Bitte: Gib’s zu, Fletch!

Fletchback

Wer jetzt denkt „Nanüchen? Ein Typ mit Lakers-Basecap und großer Schnauze… da war doch mal was“ liegt goldrichtig! Die Figur des Fletch basiert nicht nur auf Gregory Mcdonalds Romanen, sie wurde auch schon für zwei Filme verbraten. Und zwar höchst amüsant. Kein geringerer als „Saturday Night Live“-Urgestein Chevy Chase, den man nicht nur in vier Filmen als Clark W. Griswold, als verpeilten Golfer in „Caddyshack“ oder ein Drittel der „Drei Amigos“ kennt, sondern auch aus dem TV-Dauerbrenner „Community“, schlüpfte bereits 1985 zum ersten Mal in die Rolle des großmäuligen Investigativreporters. Unter dem Titel „Fletch - Der Troublemaker“ drehte Filmemacher Michael Ritchie („Die Bären sind los“, „Auf der Suche nach dem goldenen Kind“) eine turbulente Komödie mit dauerfeuerndem Wortwitz und zotigen Sprüchen, die in der deutschen Synchronisation hervorragend auf die Spitze getrieben wurden. Heutzutage dürfte bei manch zartbesaiteten Zuschauern das Stöckchen dort abbrechen, wo es von Haus aus nicht hingehört, aber in den 80ern durfte man über einen derben Schenkelkopfer noch herzhaft lachen, ohne sich danach die Kutte des Büßers überzustreifen. „Fletch - Der Troublemaker“ und speziell dessen Fortsetzung „Fletch - Der Tausendsassa“ (1989; auch bekannt unter „Fletch 2 - Der Troublemaker kehrt zurück“), ebenfalls inszeniert von Michael Ritchie, boten zahlreiche Slapstick-Momente, was nicht zuletzt den Verkleidungstalenten ihrer Hauptfigur geschuldet war. An den Kinokassen und bei den Kritikern blieb die Fortsetzung hinter den Erwartungen zurück. „Der Tausendsassa“ war mehr eine Chevy-Chase-Show als eine Adaption von Mcdonalds Büchern.

Nichtsdestotrotz gehören die Filme für mich zusammen und sind im Doppelpack hervorragende Vertreter launiger 80’s-Comedys. Bekannte Gesichter wie Geena Davis, Tim Matheson, M. Emmet Walsh, George Wendt, Kareem Abdul-Jabbar, Hal Holbrook und R. Lee Ermey gaben sich in beiden Filmen die Klinke in die Hand, während unser Deutschland-Export Harold Faltermeyer („Beverly Hills Cop“, „Top Gun“) die Musik beisteuerte. Seit den 90ern war ein Reboot von „Fletch“ im Gespräch und die Rechte wanderten von Studio zu Studio. Es gab Pläne, eine Art Origin-Story über einen jungen Fletch zu realisieren, dann wieder Ideen zu einer actionlastigen Version, während die Autoren sich über Jahre die Finger wund tippten und verschiedene Hauptdarsteller von Ben Affleck über Brad Pitt bis hin zu Zach Braff und Jason Sudeikis in den Hut geworfen wurden. Heraus kam letztendlich keiner von ihnen, denn das Rennen machte Jon Hamm, der 2020 nicht nur für die Hauptrolle zusagte, sondern gleich auch noch einen Produzenten-Posten übernahm.

Der Neue

Hamm startete seine Schauspiel-Karriere 1997 mit kleinen Jobs als Nebendarsteller in TV-Serien. Es folgten Auftritte in großen Kinoproduktionen. Darunter „Space Cowboys“ (2000) oder „Wir waren Helden“ (2002). Nach wiederkehrenden Rollen in den Drama-Serien „Providence“ und „The Division“ ergatterte Jon Hamm 2007 die Hauptrolle in der extrem erfolgreichen Serie „Mad Men“, in der sich alles um eine New Yorker-Werbeagentur in den wilden 60ern dreht. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, öffnete ihm der Erfolg weitere Türen zu größeren Rollen. So sah man Hamm 2010 an der Seite von Ben Affleck in dessen Krimi-Drama „The Town“, 2011 in der romantischen Komödie „Friends with Kids“, 2016 an der Seite von „Wonder Woman“ Gal Gadot in der Action-Comedy „Die Jones - Spione von nebenan“, ein Jahr darauf in Edgar Wrights musikalischer PS-Oper „Baby Driver“, 2018 sowohl im Agentenfilm „Beirut“ wie in Drew Goddards Ensemble-Thriller „Bad Times at the El Royale“ und 2019 in Clint Eastwoods biografischem Krimi-Drama „Der Fall Richard Jewell“. Erst 2022 spielte er im Überflieger „Top Gun: Maverick“ mit. Im gleichen Jahr, in dem „Confess, Fletch“, so der Originaltitel, mit einem limitierten Kino-Release in den Vereinigten Staaten an den Start ging.

Nun darf man sich mit Recht fragen, wie er sich als der „neue“ Fletch denn schlägt. Kurze Antwort: sehr gut! Ausführlichere Antwort: Hamm macht seine Sache mehr als ordentlich und versucht gar nicht erst, in die Fußstapfen von Chevy Chase zu treten. Ob dies funktioniert hätte, darf ohnehin angezweifelt werden, da der Humor sich im Laufe der Jahrzehnte erheblich verändert hat… beziehungsweise das Verständnis von Humor. Dass Humor der 80er nämlich noch funktioniert, beweisen nicht nur die ersten beiden „Fletch“-Streifen, sondern eine laaaange Liste von Filmkomödien aus diesem Jahrzehnt. Angefangen bei „Alle Mörder sind schon da“, „Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit“ und „Meine teuflischen Nachbarn“ bis hin zu „Spaceballs“, „Ferris macht blau“ und „Die Nacht der Abenteuer“. Und da sind Kultfilme wie „Ghostbusters“, „Die Goonies“, „Blues Brothers“ oder „Zurück in die Zukunft“ noch nicht mal mitgerechnet! Mir würde aus dem Stand keine sehenswerte Komödie der letzten zehn Jahre einfallen, über die man in rund vierzig Jahren noch sprechen würde. „Gib’s zu, Fletch!“ versucht es also gar nicht erst, springt aber auch nicht auf den Zug grenzdebiler Gaga-Comedys auf, die selbst einen akzeptablen Gag noch durch Erklärungen in den Limbus der Rohrkrepierer blasen. „Subtiler Humor“ sind hier die Zauberworte. Fletch sorgt auf ganz eigene Art und Weise für Unterhaltung. Mit entwaffnendem Charme und Hartnäckigkeit, die an nervtötende Penetranz grenzt. Nie um einen flotten Spruch verlegen, bringt er sein Gegenüber zur Weißglut. Sei es durch cleveres (manchmal aufwendiges) Austricksen, oder dadurch, dass er bei einem gewöhnlichen Gespräch mit dem ermittelnden Cop einfach vor dessen Augen ein Bild in seinem Büro schief hängt. Das passiert so beiläufig, ja schon fast selbstverständlich, dass es einfach brüllend komisch die Szene auflockert. Solche Momente ziehen sich durch den gesamten, gerade deshalb kurzweiligen Film, sodass ich Jon Hamms Darstellung sofort das „Fletch“-Gütesiegel aufdrücken möchte. Da braucht es keine Chase’schen Verkleidungsaktionen, sondern nur einen guten Typen, der den Kern der Figur erkannt hat und in die Gegenwart transportiert. Kurzum: Transport geglückt.

Wer suchet,

der findet. Allerdings muss man im Falle von „Gib’s zu, Fletch!“ schon genauer hinschauen, denn den Film gibt es aktuell nicht im Handel bzw. auf physischen Datenträgern. Wer sich diesen schwer unterhaltsamen Gute-Laune-Krimi ins Regal neben die „Fletch“-Scheiben mit Chevy Chase stellen wollte, wird vielleicht enttäuscht sein. Für meinen Teil bin ich es ein wenig, zumal mittlerweile echt jeder ranzige Käse aus der hinterletzten Reihe fürs Heimkino erscheint, den man überteuert in irgendwelche Sonderverpackungen zum Preis einer mittelklassigen Wärmepumpe steckt. Eine Entwicklung, die Filmsammlern durchaus sauer aufstoßen kann, denn streikt mal das Internet (was in Deutschland ja nicht sooo abwegig ist…), war’s das mit dem gemütlichen Filmabend. Gleichzeitig kann es natürlich passieren, dass Filme und Serien bei Streaminganbietern urplötzlich aus dem Programm genommen werden. Da schaut dann selbst die zahlende Kundschaft in die Röhre, wie der Mäuse-Konzern mit der dicken Brieftasche jüngst bewies.

„Gib’s zu, Fletch!“ ist aktuell als Video-on-Demand zum Leihen oder Kaufen über verschiedene Plattformen zu beziehen. Selbstverständlich auch in 4K-Qualität. Anbieter sind unter anderem Prime Video, der Sky Store, Maxdome, Google Play oder iTunes.

Fazit (*****):

Ein Reboot nach Maß. Der kniffelige Fall, in den Fletch scheinbar Hals über Kopf stürzt, macht großen Spaß und unterhält über die knackige Laufzeit von 98 Minuten blendend. Jon Hamm verkörpert die charmante Nervensäge mit viel Spielfreude, sodass dieser Adaption des zweiten „Fletch“-Romans von Gregory Mcdonald gerne weitere Verfilmungen folgen dürften. Material genug gäbe es ja…

Bilder: © Paramount Pictures.

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