Balthasars Vermächtnis von
Buchvorstellung und Rezension
Bibliographische Angaben
Originalausgabe erschienen 2013
bei ariadne.
Folge 1 der Kriminalreporterin-Magdalena-Cloete-Serie.
- Hamburg: ariadne, 2013. 256 Seiten.
'Balthasars Vermächtnis' ist erschienen als
In Kürze:
Südafrika: Pietermaritzburg ist die Hauptstadt der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal. Und die zwei Schwerpunkt-Ressorts der lokalen »Gazette« sind Kriminalität und Gesundheitswesen, was einiges über Pietermaritzburg sagt. Kriminalreporterin Magdalena Cloete kennt ihre Stadt und macht sich keinerlei Illusionen. Eines Morgens wird auf der Schwelle des Aidshilfe-Zentrums ein Mann erschossen. Ein politischer Mord? Maggies Instinkte schlagen Alarm, denn das Opfer Balthasar Meiring hat nur eine Woche zuvor vergeblich versucht, sie auf einen laufenden Gerichtsprozess aufmerksam zu machen. Dabei ging es um betrügerische Geschäfte mit wirkungslosen Arzneien, die angeblich AIDS kurieren. Steckt noch mehr dahinter als die übliche Geschäftemacherei? Als sie zu recherchieren beginnt, hat Maggie auf einmal Schlägertypen an der Hacke. Doch Drohungen und selbst Anschläge verstärken nur ihre Sturheit. Denn mittlerweile weiß sie genug über Balthasars Leben und Engagement, um ihre professionelle Distanz in den Wind zu schießen und mit gefährlichen Stunts ihren Hals zu riskieren.
Das meint Krimi-Couch.de: »Aids ist eine Erkrankung, die unsere Gesellschaft mit ihren Werten und ihrer Politik grundlegend auf die Probe stellt«
Krimi-Rezension von Jochen König überspringen
Balthasars Vermächtnis ist das Krimi-Debüt der Südafrikanerin Charlotte Otter, die seit einigen Jahren in Deutschland lebt, aber in englischer Sprache schreibt. Ähnlich ihrer Hauptfigur Magdalena »Maggie« Cloete hat Otter zumindest zeitweise als Kriminalreporterin gearbeitet. Wie Peter Wark, dessen Mords-Nachlass ebenfalls diesen Monat auf der Couch Platz findet, kennt sie das Milieu, über das sie schreibt also aus eigener Erfahrung. Damit enden die Ähnlichkeiten allerdings. Während Wark ein müdes Schlachtross beim aufreibenden Kampf gegen stromlinienförmigen Boulevardjournalismus in milder Harboiled-Manier agieren lässt, hat die hitzköpfige Idealistin Magdalena Coete nicht nur einen Mordfall im Visier, sondern einen gesellschaftspolitischen Skandal; Machenschaften, bei denen die Verzahnung von Politik und Verbrechen eine gewichtige Rolle spielt, aber auch Rassismus und fanatischer (Aber)glaube, der selbst dann noch wirkt, wenn die Fakten ihn längst ad absurdum geführt haben. Erzählt vor einem Hintergrund aus patriarchalischen Familienstrukturen, die mit Gewalt einen überholten Status Quo bewahren wollen, und Ausbrüche aus den verlogenen Verhältnissen, mit Missachtung oder Schlimmerem bestrafen.
Als der AIDS-Aktivist Balthasar Meiring erschossen wird, plagt Kriminalreporterin Maggie Coete das schlechte Gewissen: Suchte doch der titelgebende Balthasar dringend ein Gespräch mit ihr. Die Journalistin war nur mäßig interessiert und reagierte wenig enthusiastisch. Umso engagierter macht sie den Mordfall zu ihrem Thema, selbst als die Chefredaktion den vermeintlichen Raubmord als unbedeutend einstuft und sie auf eine Sammelklage gegen die Produzenten eines unbrauchbaren AIDS-Medikaments ansetzt. Bald dämmert Maggie, dass beide Fälle miteinander verwoben sind. Gegen zahlreiche Widerstände bleibt Balthasar Meirings Leben und Tod im Fokus ihres Interesses. Und so stößt sie auf die Geschichte eines idealistischen Außenseiters, der sich aus den Fängen einer bigotten Familie befreite, um gegen den unverantwortlichen Umgang der südafrikanischen Politik mit der HIV-Erkrankung und für die zahlreichen Opfer zu kämpfen. Wie so oft wird das positive Engagement nicht belohnt; in einer von Angst, Gewalt und langen Rassismus-Tradition geprägten Gesellschaft ist Aufklärung der Feind. Und Feinde gehören ausgemerzt.
Balthasars Vermächtnis ist ein wütender Roman. Zu Recht. Charlotte Otter schreibt gegen das Verdrängen und Vergessen an, gegen Ressentiments und Rassismus. Sie wählt dafür das Gewand des Polit-Thrillers. Über weite Strecken gelingt ihr das sehr gut. Gerade, weil sie den skandalösen Umgang mit der AIDS-Thematik ausführlich beschreibt, den verzweifelten Kampf weniger Aufrechter gegen (offizielle) Lügen, Aberglauben und brutale Geschäftemacherei faktenreich und emotional ins Zentrum ihres Buches rückt, macht den Roman zu einer hochspannenden Angelegenheit, die nie zum thesenhaften Pamphlet verkommt. Die Schwächen liegen an anderer Stelle, dort, wo Otter sich nicht auf ihre erzählenswerte Geschichte verlässt, sondern versucht vermeintliche Standards der Spannungsdramaturgie zu integrieren.
Da geht Maggie ohne Rückendeckung zu einem Treffen, das ganz offensichtlich eine Falle ist; entkommt an anderer Stelle, als offensichtlich begnadete Motorradfahrerin einem unbeweglicheren Verfolger, nicht ohne Blessuren. Ebenso wenig überzeugt der Konflikt mit dem Chefredakteur. Einerseits wird häufig betont, welch herausragende und verkaufsträchtige Bedeutung Maggies Art zu arbeiten für die »Pietermaritzburger Gazette« hat, gleichzeitig werden ihr permanent Steine in den Weg gelegt, genau auf diese Weise tätig zu werden (Handbuch für Creative Writing: »Schlusswendung nicht vergessen!«). Mitunter steht Maggie selbst zu sehr im Zentrum der Erzählung, vor allem ihr Zögern, Zaudern und recht penetrante Selbstzweifel, die leider etwas zu Lasten der Nebenfiguren, inklusive des gar nicht uninteressanten Love-Interests Spike Lyall gehen. Andere Sidekicks, wie die unbeholfen zu Maggies Punching-Ball berufene Sally-Anne aus der Kulturredaktion sind schlicht überflüssig. Ihren Nutzen für einen kurzen, relevanten Moment hätte man verlagern können. Als comic relief taugt sie kaum. Humor ist eh nicht Otters Lieblingsacker, warum ihn also bestellen, wenn es gar nicht nötig ist?
Aber all diese kleinen Makel sind unerheblich. Charlotte Otter hat etwas zu erzählen und das bewerkstelligt sie auf mitreißende, teilweise erschütternde Weise. Sie ficht keine provinziellen Geplänkel, sondern lenkt das Augenmerk auf einen Kriegsschauplatz, der nicht oder nicht mehr? im Scheinwerferlicht der Medien steht. Ihr gelingt Interesse und Aufmerksamkeit zu wecken, dank glaubwürdig entwickelter Figuren und inhaltlicher Relevanz, versetzt mit ein wenig Action und einem nicht ganz straffen Spannungsbogen, der einigen überflüssigen Volten geschuldet ist. Dabei hätte sich Charlotte Otter ganz beruhigt auf ihre Protagonisten und die gewählten Themen verlassen können. Beides sorgt für genügend Furor.
Balthasars Vermächtnis ist ein fulminantes Debüt, dessen Kinderkrankheiten man gut und gerne in Kauf nehmen kann.
Jochen König, August 2013
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dendrobium zu »Charlotte Otter: Balthasars Vermächtnis« | 25.08.2013 |
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