Die Schlange

  • Benevento
  • Erschienen: April 2020
  • 2
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Thomas Gisbertz
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2020

Gut recherchierte, aber spannungsarme Story

In seinem zweiten Krimi lässt Autor Martin Wehrle seine mitunter doch recht naive Antiheldin Susanne Mikula tief in die Abgründe der Immobilienbranche eintauchen. Die Journalistin, die sich im ersten Band der Krimi-Reihe „Die Ratte“ mit dem korrupten Klüngel aus dem Kleinstadt-Polit-Milieu anlegt, erhält in „Die Schlange“ einen dubiosen Rechercheauftrag: Sie soll den schmutzigen Machenschaften einer Hamburger Immobilienfirma nachgehen und einen Mietskandal aufdecken.

Offenbar werden alte Mieter aus den Wohnungen gemobbt, um durch Luxussanierungen und Neubauten abzukassieren. Susanne Mikula lässt sich bei der Hamburger StageBau einschleusen. Doch ihre Ermittlungen stoßen auf eine Wand des Schweigens. Steckt ein viel größeres Komplott dahinter?

Journalist als Ermittlerin

Susanne Mikula ist unsicher, ob ihre Bewerbung bei der Hamburger Allgemeinen zum richtigen Zeitpunkt kommt. Mehr auf Drängen ihrer Freundin Iris als aus eigenen Stücken heraus fährt sie zum Vorstellungsgespräch in den Norden. Die Journalistin leidet seit den Geschehnissen um ihren ehemaligen Chef unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich unter anderem in wiederholt auftretenden Panikattacken zeigt.

Auch wenn es bei der Hamburger Zeitung nicht für eine Anstellung reicht, erhält sie ein unverhofftes Angebot: Heiner Stagemann, der öffentlichkeitsscheue Chef der Immobilienfirma StageBau, möchte Mikula als interne Ermittlerin einstellen, um dubiosen Machenschaften in seinem Unternehmen auf die Spur zu kommen. Scheinbar werden Mieter in seinen Häusern unter Druck gesetzt. Trotz Zweifel, ob sie die richtige für den Job ist, nimmt die Journalistin das Angebot an, da sie das üppige Gehalt gut gebrauchen kann. Im Laufe der Recherche merkt sie allerdings, in welche Gefahr sie sich begibt.

Karriereberater als Autor

Martin Wehrle ist ein erfolgreicher Karriereberater und Sachbuchautor. Seine Sachbücher zu Themen wie Arbeitsmarkt, Karriere und Bildung sind weltweit erschienen und haben entscheidende Debatten über die Arbeitskultur angeregt. Martin Wehrle wurde für seine zahlreichen Fachbücher unter anderem mit dem renommierten Coaching-Award (2016) ausgezeichnet .

Auch im zweiten Band seiner Krimi-Reihe um die Journalistin Susanne Mikula nimmt er sich eines aktuellen Gesellschaftsthemas an: dem völlig entfesselten Wohnungsmarkt. Für seine Krimis schöpft er dabei aus einem reichen Erfahrungsschatz. So sind Martin Wehrles Romane nicht nur gut recherchiert, sondern enthalten auch einen gesellschaftskritischen Hintergrund und sind hochaktuell.

Erzähltechnische Defizite

Zunächst einmal beginnt Wehrles aktueller Roman inhaltlich und stilistisch vielversprechend. Es wird nicht nur aus der Er-/Sie-Perspektive erzählt, sondern Wehrle widmet einzelne Kapitel dem „Straßenlotsen“, einem Auftragskiller, der aus der Ich-Perspektive in ironisch-humorvoller Weise seine „Arbeitswelt“ beschreibt. Leider ist im Gegensatz dazu der Rest des Romans doch sehr nüchtern geschrieben. Emotionen werden zu sachlich dargestellt und Ängste im ständig wiederkehrenden Stil verbalisiert.

Es nervt irgendwann, dass Susanne Mikula ihre Gefühlen mit den Bildern von „Knallfrosch“ und „Teufelchen“ beschreibt. So gut der Roman recherchiert ist, so leidenschaftslos und kühl ist mitunter die Sprache. Hinzu kommt, dass es zwar zum Ende hin einige Wendungen gibt, die aber allenfalls für die doch sehr naive Journalistin überraschend kommen.

Enttäuschende Handlung

Besonders inhaltlich weist der Roman Schwächen auf, die die Figuren sogar zum Teil selber äußern. Auf Mikulas Nachfrage bei einer Kollegin, warum man in der Zeitung nicht über die Probleme der Mieter berichte, antwortet diese: „[…] Mietergeschichten laufen eher schlecht als recht. Das ist so platt und absehbar.“ Dem ist leider nichts hinzuzufügen. Wehrles Darstellung der „Maßnahmen“, die die Verbrecher im Rahmen ihres Mietermobbings ergreifen, sind sicherlich realistisch. Dass dies der Öffentlichkeit aber verborgen bleibt, ist leider vollkommen unwahrscheinlich.

Auch die Frage, warum der Immobilienmogul Stagemann keinen erfahrenen Privatdetektiv engagiert, sondern auf die Ermittlungsarbeit einer Journalistin vertraut, wird nicht befriedigend geklärt, wenn die Mikula sagt: „Niemand hat auf dem Schirm, was ich wirklich in der Firma treibe. Dagegen könnte ein Promi-Detektiv schnell auffliegen, weil er in seiner Branche bekannt ist.“

Dass es sich bereits bis Hamburg herumgesprochen hat, dass Mikula Journalistin ist und sie leider eher plump ermittelt, wohingegen ein „Promi-Detektiv“ sicherlich unauffälliger agieren würde, sei dahingestellt. Es zeigt aber auf, dass ein guter Sach- und Fachbuchautor längst kein geschickter Kriminalautor sein muss. Vielleicht hätte Wehrle sich dem Thema besser im Rahmen eines Sachbuch gewidmet.

Fazit: 

Auf einen Kriminalroman, der sich mit dem auseinandersetzt, was hinter den Kulissen des Hamburger Wohnungsmarkts vorgeht, hat jetzt nicht jeder Leser zwingend gewartet. Wenn die Handlung dann auch noch zu vorhersehbar ist und sich die sprachliche Qualität in Grenzen hält, kommt leider nur ein bestenfalls durchschnittlicher Roman dabei heraus. Bei aller Qualität, die Martin Wehrle als Fachbuchautor mitbringen mag: als Krimi-Schreiber hat er noch deutlich Luft nach oben.

Die Schlange

Martin Wehrle, Benevento

Die Schlange

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