Krimi-Hörspiele:
Mediatheken / 34

"Seelenfeuer"

Der BR Radio Tatort mit neuer Ermittlerin

Es war abzusehen. Da konnten auch die einprägsamen Sprecher nichts daran ändern, dass die Vorlagen des gehätschelten Autors Dobler nicht jedermanns Geschmack waren. Der BR entschied sich im Sommer 2023 für den Autor Su Turhan, der durch erfolgreiche Krimireihen und Verfilmungen fürs Fernsehen nachweisen konnte, dass er massentauglich ist. Das Geschehen bleibt in München. Migrantenmilieu statt Bionade-Bourgeoisie. Die Region bleibt durch die tollen fränkischen Ermittler Melitta und Stern gewahrt.

Inhalt

Die junge, private Ermittlerin Yanina Adler erhält Besuch von einem ihrer ehemaligen Zöglinge. In ihrem ersten Leben war sie Erzieherin für schwer erziehbare Jugendliche. Ranko Gojun hat sich gut entwickelt, aber nun braucht er Hilfe. Sein Bruder Franjo wurde lebensgefährlich verletzt aufgefunden und liegt seitdem im Koma. Ranko gerät bei der Polizei in Verdacht. Er beteuert aber seine Unschuld. Franjo war allerdings kein Unschuldslamm, offenbar dealte er mit Drogen.

Die kontaktfreudige Yanina bringt den einzigen Zeugen der Tat dazu, ihr mehr zu erzählen als der Polizei. Sie erfährt, dass Franjo zur Tatzeit mit einem alten Ford Granada unterwegs war und sich offenbar mit seinem Lieferanten getroffen hat. Heroin war auch im Spiel. Yanina ermittelt den Fahrzeughalter, doch der kann es nicht gewesen sein. Der sitzt gerade ein. Nun gräbt sie im privaten Umfeld der kroatischen Familie. Der Vater lebt in Zagreb. Seine Mutter Larissa betreibt einen Kosmetiksalon in München. Sie war in ihren besten Zeiten Schönheitskönigin in Kroatien. Bei einem Brand wurde sie schwerst verletzt und ist seitdem entstellt. Die Mutter leidet bis heute an den Folgen. Sie sagt, auch ihre Seele habe Feuer gefangen.

Yanina will in die Wohnung der Familie Gojun einbrechen, um Hinweise zu finden.  Aber wer ist der Mann, der gerade aus der Wohnung flieht? Yanina bleibt ihm auf der Spur und begibt sich in tödliche Gefahr. Aber den Täter kann sie nur mit der Hilfe der Polizei stellen. Die Wahrheit kann grauenhaft sein.

Das Hörspiel

Das Private-Eye Hörspiel geht den klassischen Weg. Kleine Frotzeleien mit der vertrauten Polizei, aber ohne sie geht es dann doch nicht. Yanina gibt die jugendnahe Ermittlerin, die auch mal Unerlaubtes tun muss. So eine Frauenrolle gab es bisher noch nicht im Radio Tatort. Yanina ist durch innere Monologe nicht nur Mitspielende, sondern auch Erzählende. Die Handlung spielt in der Unterschicht, dem Milieu der kleinen Drogendealer und in der Welt der Migranten.  Allerdings ist das alles bis auf den finalen Plot nicht besonders neu und einfallsreich.  Das Erzähltempo beginnt langsam und nimmt gegen Ende genau wie die Spannung zu. Der Show-Down ist unerwartet und dramatisch.

Julia Gräfe als Sprecherin der Yanina ist extrem variabel und feinfühlig. Sie kann nichts dafür, dass der Jugendslang etwas gewollt klingt. Wo hört man schon so oft das Wort Scheiße, Fuck und Deal. Dass ihr ehemaliger Kollege, der Polizist Tekin, immer beim Sprechen die Luft durch die Zähne zieht, ist kein Running Gag, sondern peinlich. Der Sprecher Martin Weigel überzieht unangenehm. Die übrigen Sprecher machen ihren Job, nicht mehr und nicht weniger.

Es gibt viele hörenswerte Szenen und Spielorte, von denen manche leider wenig nachvollziehbar sind: Der Besuch im Krankenhaus oder ihre Befragung des einzigen Zeugen. Überhaupt sind die Dialoge noch steigerungsfähig. An vielen Stellen klingt der Text, als sei er eher eine Kriminalgroteske.

Dos Hobos begleitet weiterhin den BR-Radiotatort musikalisch. Gelegentlich eigenwillig, aber hörerfreundlich. Meist in den Pausen, aber auch zart im Hintergrund. Atmosphärisch ist das Hörspiel dicht und überzeugend. Ohne einen moralischen Zeigefinger wird die Gefahr vom Leben mit und von Drogen vermittelt. Da kann die Seele Feuer fangen. Schade, dass es in zeitgenössischen Krimis keine richtig bösen Menschen mehr gibt. Wenn die Autoren für Alles und Jeden Verständnis haben, fehlt die tiefe Dramatik, die das wirkliche Leben gestaltet.

Fazit

Von der Idee her eine gute Ergänzung für die Tatort Krimis und sicher gutes Mittelfeld. Es bringt Spaß zuzuhören. Die Schwächen lassen sich bei sorgfältiger Bearbeitung vermeiden, wenn sich der Autor zwischen Krimi und Groteske entscheidet.

Couch-Wertung: 75°

ARD Audiothek und BR

"Mord und Wischmopp"

Ein hörenswerter Regionalkrimi des WDR

Im WDR gab es immer mal wieder nette, regionale Cozy-Krimis. Im Sommer 2023 erfreut der WDR seine Stammkundschaft mit einer Bearbeitung des 2022 erschienenen Romans (384 S.) von Mirjam Munter. Dahinter verbirgt sich die vielseitige Autorin Mirjam Müntefering. Im Mittelpunkt dieser neuen Krimireihe steht die bodenständige Putzfrau Pamela Schlonski.

Inhalt

Pamela Schlonski erstarrt. Auf ihrer Putzrunde im Hattinger Fotoclub findet sie den Vorsitzenden des Fotoclubs Linsenkunst, Herrn Neumann, gefesselt und ermordet im Aufnahmeraum vor: Eine absurde Szenerie. Der Raum ist mit reichlich Blitzlichtern für eine Aufnahme vorbereitet, es gibt keine Kamera, aber Blutspuren am Mund des Toten. Aber wer ermordet den begabten Fotografen und Vorsitzenden, fragt sich auch der aus dem Norden zugezogene Kommissar Lennard Vogt. Also Blick ins Umfeld. Und wer sieht mehr als eine aufmerksame Putzfrau? Jedenfalls nutzt Pamela immer wieder ihre Ortskenntnis und ihre Kontaktfreudigkeit, um sich aktiv in die Ermittlungen einzumischen. Sie nutzt aus, dass sie ein verräterisches Foto an sich genommen hat.  Die geschiedene Frau von Neumann hat seit Jahren keinen Kontakt zu ihm. Neumann hat den ehemaligen Vorsitzenden und Gründer des Vereins Markus Klappert rüde abserviert. Klapperts Alibi ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Aber bringt dieser solide, beliebte Mann jemanden um? Oder Gero Winter. Der verdient sich mit Fotos im Rotlicht-Milieu, an der Steuer vorbei, nach etwas dazu. Auch sein Alibi ist nicht stichhaltig.

Mit ihrem Team, der Mitbesitzerin Aysen und dem Kiosk-Besitzer Totti stürzt sich Pamela auf das verräterische Foto. Wird eine neue Spur einen Täter entlarven? Lennard Vogt und Pamela

gehen ihre eigenen Wege, ohne sich gegenseitig im Weg zu stehen.

Das Hörspiel

Das Hörspiel ist konventionell inszeniert. Überwiegend ruhige Szenen mit lauschenswerten Dialogen, immer im sympathischen, gut verständlichen Ruhrpottslang. Die melodiöse Begleitung und die fein ausgewählte Geräuschkulisse führen unweigerlich zur Guten Laune.

Das Setting mit einer Putzfrau als Hobby-Ermittlerin ist eine geniale, ausbaufähige Idee. Wer im Schmutz fremder Leute wühlt, findet so einiges.  Sie wird dabei begleitet von ihrer Kollegin Ahsen, einer Krimiliebhaberin und dem Kiosk-Besitzer Totti. Der kundige Hörer ahnt, woher der Vorname Pamela stammt, wenn ihre Mutter Ewing heißt. Der norddeutsche Kommissar ist der sachliche systematische Ermittler, der weitestgehend allein bleibt. Das Hörspiel nimmt eindeutig die Perspektive von Pamela ein, die den Hörer mit ihren inneren Monologen durch die Handlung führt. Die Hörspielwelt führt die Vielfalt menschlichen Daseins vor: Die geschiedene Pamela, der vegane Kioskbesitzer, der alleinstehende Steuerbetrüger usw. Aus allen strahlt letztlich die rheinische Frohnatur. Pamela findet immer wieder überraschende Aspekte, neue Verdächtige und mischt mit. Der Hörer kann dem gut folgen und wird letztlich doch vom Plot überrascht. Allerdings soll sich der Hörer nicht vom ruhigen Ton einlullen lassen. Jede Person und jede Handlung erfüllen ihren Zweck. Man hört deutlich, dass Autorin und Regie das Krimi-Genre aus dem FF kennen. Da finden sich Hinweise an den Tatort Kommissar Thiel oder Barnaby. Als Sprecher wirken die Radiotatortkommissare Latotzke (Söhnke Möring, WDR) und Sandra Borgmann (Breuer, NDR) mit. Der Regie gelingen Szenen wie es eben nur ein Hörspiel kann: Pamela beschreibt ausführlich eine Fotografie, die sie tief beeindruckt und dem Hörer entsteht ein Bild davon vor seinen Augen. Emotionaler kann Radio nicht sein.

Fazit

Weit mehr als ein Cozy-Krimi. Gelungene Vorlage, Regie at it´s best, lauschige Sounds. Ein Regionalkrimi von dem man mehr hören möchte.

Couch-Wertung: 90°

ARD Audiothek

"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 34" von Malte Stamer, 01.2024
Hier findest Du noch mehr Tipps zu Krimi-Hörspiele: Mediatheken

Fotos: istock.com / tolgart

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